Mit einem kurzen Blick auf die im Multiplayer zur Verfügung stehenden Operators weiß man sofort, warum Sledgehammer Games zum sechsten Mal den Zweiten Weltkrieg als Schauplatz für ihr neuestes Call of Duty gewählt hat: Nur keinen Fehler machen und für negative Aufmerksamkeit sorgen. Bei den Operators sind sowohl weibliche als männliche Charaktere vorhanden und es wurde feinsäuberlichst darauf geachtet, von jeder Bevölkerungsgruppe einen Vertreter zu entsenden, damit sich niemand angegriffen fühlt und das, obwohl vieles historisch einfach nicht passt. Genauso verhält es sich bei dem WWII Szenario, die US-Amerikaner wissen hier zu 100 %, dass die Nazis die Bösen waren und erneut so richtig eine aufs Maul bekommen sollten. Also gut, genug gestichelt – Setting von Call of Duty: Vanguard steht fest, nichts neues, aber dennoch immer wieder ein spannendes Szenario, sollte es gut umgesetzt werden. Dann machen wir uns also ans Eingemachte, was hat Vanguard unter der Haube und lohnt sich der Kauf überhaupt?
Für mich persönlich waren die Call of Duty Kampagnen immer einer der besten Singleplayer-Experiences die es auf dem Markt zu kaufen gab. Man entwickelte Emotionen für die einzelnen Charaktere, war mitgenommen, wenn einer von ihnen den Löffel abgeben musste, konnte sich quasi nicht sattsehen an den gut umgesetzten Kriegsschauplätzen und wusste zu keinem Zeitpunkt, was hinter der nächsten Tür auf einen wartet. Dieses Jahr erleben wir das Ende des Zweiten Weltkrieges durch eine Sondereinheit mit dem Namen Task Force One. Die Einheit besteht aus einem zusammengewürfelten Haufen von knochenharten Damen und Herren, welche auf der Suche nach dem mysteriösen Project Phoenix sind.
Die Entwickler wechseln immer zwischen dem hier und jetzt und der Story der individuellen Charaktere. In diesen Zeitreisen soll man seine Kameraden besser kennenlernen und man erlebt die jeweilige individuelle Leidensgeschichte und erfährt, warum diese so geworden sind, wie sie heute sind. Manche der Missionen spielen sich wirklich gut und geben einen erstklassigen Einblick in die blutige Kriegsmaschinerie, andere kann man wiederum mit einem OK abstempeln. Keine der Missionen aus der mehrstündigen Kampagne schafft es aber, einen vernünftigen Plottwist aufzubauen oder eine ordentliche Spannung aufkommen zu lassen. Auf der technischen Seite dagegen …
EINWANDFREIE TECHNIK
… kann man den Entwicklern jedoch nichts nachsagen. Auch dieses Jahr wurde uns wieder ein technisch einwandfreies Game serviert, von welchem man nicht genug bekommen kann. Die Engine läuft in optima forma, man hat stets eine hohe FPS Zahl und die Welt der Zerstörung kann sich auch bis auf ein paar verschwommenen Texturen gut sehen lassen. Den größten technischen Zuwachs merkt man vor allem bei der ausgezeichneten Belichtung und den Einsatz von richtig platzierten Lichtquellen. Atmosphäre? Check! Die einzigen Fehler, die wohl der Engine zuzuschreiben sind, hatten wir während den Cinematic-Screens, hier kam es immer wieder einmal zu einem kurzzeitigen Stocken von Sequenzen und ein oder zweimal während des Gameplays selbst.
Was jedoch gar nicht geht und doch noch zur Technik gehört, ist die Nazi-KI in der Kampagne. Die Widersacher in der Kampagne sind einfach nur furchtbar umgesetzt worden. Wie diese virtuellen Soldaten für Angst und Schrecken sorgen konnten, bleibt mir ein Rätsel. Die Gegner kapieren es oft nicht einmal, wenn man deren Kameraden direkt neben ihnen aus dem Leben knipst oder nur ein paar Millimeter an ihnen vorbeischleicht. Auch auf der höchsten Schwierigkeit stellt die Kampagne leider kaum eine Herausforderung dar. Sehr schade!
Da wir uns schon auf der technischen Bewertungsseite befinden, knüpfe ich hier auch gleich noch an das Mutliplayer-Gameplay an. Das Waffen-Handling und Feeling mag zwar ausgezeichnet sein, aber leider fehlt dem Spiel eine ordentliche Portion an Balancing. Mit fast jeder Waffe reichen ein paar Treffer und der Gegner fällt um. Eine wirkliche Abwechslung beim hin- und herwechseln zwischen Sturmgewehren und Leichten-Maschinengewehren konnte ich zum Beispiel kaum feststellen. Man muss sich daher als Spieler eigentlich nur zwischen jenen Waffen entscheiden die man auf nahe Distanz verwendet, welche entsprechend eine hohe Feuerrate aufweisen oder jenen, mit denen man in den Fernkampf geht. Aufgrund der noch einmal erhöhten Spielgeschwindigkeit in Call of Duty: Vanguard, sind auch Faustfeuerwaffen quasi nutzlos geworden. Wenn man sich im Feuergefecht befinden sollte und die Munition leer ist, schafft man es in neun von zehn Fällen sowieso nicht, auf seine sekundäre Waffe zu wechseln.
SCHNELL, SCHNELLER, CALL OF DUTY: VANGUARD
Was heuer neu ist, sind die Geschwindigkeitseinstellung von den Mehrspielerkämpfen. Man kann zwischen drei Stufen wählen, wobei taktisch die langsamste und Blitz die schnellste Einstellung darstellt. Der Gedanke hinter diesen Settings ist wohl, dass sich möglichst eine Vielzahl von Spielern im Multiplayer wohlfühlen können. Der Beweggrund mag zwar ein guter sein, funktionieren tut es aber in der Praxis kaum. Auf der Geschwindigkeit Blitz gilt der Grundsatz “Rush” und man sprintet einfach nach dem Spawn ziellos in eine Richtung und versucht während den rund 45 Sekunden die man am Leben ist, einen oder zwei Gegner zu eliminieren. Die Lebensdauer-Prognose gilt natürlich nur dann, wenn man nicht mit einem Gegner im Rücken gespawnt wird und sofort den Löffel abgeben muss. Auf taktischer Einstellung werden zwar die Spieler pro Map drastisch reduziert, ein chaotisches von einer Ecke in die andere Ecke spawnen bleibt es jedoch auch hier.
Wenn man sich erst einmal an die hektische Spielweise gewöhnt hat, kann man dann definitiv Spaß im Multiplayer haben. Die unterschiedlichen Karten sind gut aufgebaut, halten bei Laune und es gibt viel zu entdecken. Vor allem ist hier der technische Aspekt des Spiels noch einmal positiv zu erwähnen. Call of Duty macht alleine wegen der Aufmachung und dem sehr flüssigen Gameplay bereits unmengen Spaß. Die Spielsuche funktioniert über das Einstellen eines Schnell-Spiel-Filters. Hier kann man grundsätzlich zwischen Standard und Hardcore, sowie den drei Geschwindigkeiten Taktisch, Angriff und Blitz wählen. Als Spielmodi stehen dann Team-Deathmatch, Herrschaft, Abschuss bestätigt, Suchen & Zerstören, Patrouille, Frei für Alle und Stellung zur Auswahl. Vor allem Patrouille und Stellung machen irrsinnig viel Bock, da man sich immer wieder über die Herrschaft eines Punktes duellieren muss und so das ganze eine wirklich witzige Dynamik ins Spiel bringt.
Warum die Waffen-Mechanik so stark abgeändert wurde, verstehe ich leider bis jetzt noch nicht. Bei Call of Duty gab es immer schon den Grinding-Part und dieser war auch nicht schlecht: Zuerst musste man im Level vorankommen, damit man bestimmte Waffen freischaltet und dann konnte man ein paar Modifikationen zusätzlich freispielen, um der gewählten Waffe den letzten Schliff zu geben. Bei Vanguard handelt es sich aber nicht mehr um kleinere Anpassungen, sondern man kann jetzt pro Waffe an die 70 verschiedenen Modifikationen vornehmen, welche die Waffe dann sogar vom Handling und Playstil zur Gänze verändern kann. Jetzt kommt der ungute Part: Jeder dieser Erweiterung ist durch weiteres Grinding mit der gewählten Waffe freizuspielen und man wird sehr oft mit Spielern gematcht, die gute Builds auf der Hand haben und dich mit zwei oder drei Hits aus dem Leben pusten. An sich eine gute Idee, heißt jedoch für uns, jedes mal wenn wir eine neue Waffe testen wollen, stehen wir vor mehreren Stunden lästigem Grinding.
Zum Schluss bleiben nur noch zwei weitere Sachen zu erwähnen, die gestört haben. Das Matchmaking-System hat das ein oder andere Problem: Wir haben das Spiel direkt zu Release gezockt und wenn wir den Schnell-Spiel-Filter zu eng eingestellt haben, weil wir zum Beispiel Hardcore, mit taktischer Geschwindigkeit spielen wollen, weitete sich die Suche schon einmal auf Lobbys jenseits der 250 + Ping Grenze aus, da das System offenbar keine Mitspieler fand. Wie das sein kann, wenn sicherlich Zig-Tausende Spieler momentan zocken? Fraglich. Eine weitere nervige Eigenheit des Spiels ist der MVP Bildschirm am Ende jeder Runde. Das kleine Video vom besten Abschuss vor dem besagten Endscreen ist lustig, war es immer schon. Mich dann aber über gefühlt zwei Minuten auf einen Endscreen starren zu lassen, nur um auszuwählen, wer jetzt der MVP ist, ist eine Frechheit und einfach nur nervig. Bitte fügt einen Überspringen-Knopf ein!
DIE BÖSEN NAZI ZOMBIES
Die Entwickler haben im Zombie-Mod kräftig an den Stellschrauben gedreht und den altbekannten rundenbasierten Mod in etwas Neues umgewandelt. Nach dem Start finden wir uns in “Der Anfang” wieder und wir sollen in das Gebiet von Rogue-Lite vorstoßen. Storytechnisch wird uns kurz erklärt, dass die Nazis es geschafft haben, ein uraltes Artefakt zu aktivieren um einen Gott heraufzubeschwören. Wir müssen natürlich, wer hätte es anders gedacht, die endlosen Massen zurück in ihre kalten Gräber befördern. Dafür muss man durch mehrere Portale schreiten, die Gegner dezimieren und das Portal wieder verlassen. Der Grundgedanke, gezielt in ein Gebiet vorstoßen, alles zu töten, danach in Ruhe aufzurüsten und kurz verschnaufen, ist an sich ein sehr Guter. Leider fehlt es aber momentan am Inhalt, um die Langzeitmotivation aufrechtzuhalten. Ende des Jahres bzw. Anfang 2022 soll hier noch mehr Inhalt folgen und die ganze Aufmachung dient momentan eher als Technical Beta.
Ansonsten hat sich beim Gameplay nicht allzu viel getan, es gibt jetzt einen Brunnen, an welchem man sogenannte Pakte abschließen kann, welche uns weitere Boni geben, wie mehr Schaden bei betäubten Gegnern. Einen Pakt schließen kann man, indem man dem Brunnen ein Herz als Opfergabe darbietet. Diese Items gibt es für den Abschluss von kleineren Aufgaben, welche man ebenso über die Portal erreichen kann.
Auch wenn die Idee an sich gut ist, fehlt dem Zombie Mod das Sandbox-Feeling von früher und in den paar Runden, die wir gespielt haben, haben wir immer aufgehört weiterzumachen, da es schlicht weg langweilig wurde und nicht weil die Horden zu mächtig wurden.