Abseits von der Hoffnung auf das große Geschäft mit Virtual Reality und von 3D Umgebungen die eher an eine Tech-Demo als ein Spiel denken lassen, tut es doch sehr gut wieder einmal in einen PC-Exklusivtitel einzutauchen, der ohne Lawine an Grafikkarten-röstenden optischen Effekten eine Spieltiefe bietet, die schwer in Worte zu fassen ist. Das war quasi schon fast das Fazit zum Beginn des Artikels, denn spätestens nach ein paar Stunden Civilization VI steht fest, dass eine detaillierte Beschreibung der Erfahrung eher zum maßlos ausufernden “tl;dr (too long; didn’t read)” führen würde als einer geschmeidig lesbaren Review. Darum haben wir hier für euch eine nicht zu lange, aber ausführliche Review über das Spiel verfasst.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Alle Zeit der Welt…[/perfectpullquote]
Die Civ-Reihe ist ja auch bekannt dafür, dass es sowas wie ein “Schnelles Spiel” nicht gibt. Das hängt zwar grundsätzlich stark von den gewählten Siegbedingungen ab, aber man sollte für einen Durchgang jedenfalls mehrere Spielstunden einplanen. Die einfachste Variante ist ein Zufallsspiel mit kleiner Karte mit Standardbedingungen, hier hat man 500 Runden Zeit die Partie für sich zu entscheiden.
Die Siegbedingungen:
1. Eroberung: quasi der Klassiker, wobei es hier reicht die Hauptstädte aller andere Zivilisationen einzunehmen, man muss also nicht die ganze Welt unterwerfen
2. Religion: schafft man es in der Anfangsphase des Spiels einen großen Propheten zu ergattern kann man seine eigene Religion gründen. Wenn man diese dann noch großzügig in den Städten aller anderen Zivilisationen mit Missionaren und Aposteln verbreitet kann auch dies zum Sieg führen
3. die Gründung einer Marskolonie verleiht einem den Wissenschaftssieg im späteren Verlauf des Spiels
4. auch kulturelle Errungenschaften können zum Sieg führen, wenn die eigene Zivilisation das Touristenziel der halben Welt ist
Und sollte man in allen Bereichen sehr gut sein aber zum Sieg nach Eroberung, Wissenschaft, Kultur und Religion reicht es immer noch nicht, dann geht sich in der Runde 500 vielleicht ein Sieg nach Punkten aus
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Schreib deine Geschichte selbst![/perfectpullquote]
Als Civ-Veteran ist der Spieleinstieg zwar Grundsätzlich geläufig, jedoch haben sich in Civ-VI ein paar Spielmechaniken geändert. Jede Zivilisation hat seinen Anführer mit unterschiedlichen Boni und besonderen Einheiten oder Gebäuden. Zudem wirkt sich die Wahl der Zivilisation auch auf die Gewichtung der Siegbedingungen aus.
Bei der Standortentscheidung für die Stadtgründung sind ein paar Faktoren zu beachten, denn der Bau von Stadtbauwerken hängt nun vom Umland ab. Intensive Terrain Änderungen sind nicht mehr möglich, Wüsten, Hügel und Gebirge lassen sich also nicht in Weideland umwandeln, aber bis auf das Gebirge lässt sich auch mit praktisch unfruchtbaren Kacheln etwas anfangen. Denn mit Civ6 werden Bezirke eingeführt, welche nun bestimmte Stadtbauwerke wie Wunder, Industrieansammlungen beinhalten. Die Stadtgebäude sind in Gruppen sortiert (zb Werkstatt, Fabrik, Kraftwerk als Industriekomplexe und Markt, Börse, Bank als Wirtschaftskomplexe) und müssen nun außerhalb der eigentlichen Stadt platziert werden. Noch dazu bieten diese Verbesserungen unterschiedliche Boni, je nachdem was auf den benachbarten Feldern ist. Das bedeutet aber auch dass anhand des Umlands einer Stadt ersichtlich wird welche Verbesserungen und Services sie hat.
Die ersten Spielminuten sind eigentlich immer geprägt davon eine Stadt zu gründen und zu warten bis die ersten Verbesserungen fertig werden. Dann der Spieler abwägen ob die Partie mehr auf schnelle Expansion ausgerichtet ist (auf die Gefahr hin aufgrund mangelnder Verteidigung überrannt zu werden) oder ob man das eigene Volk eher überschaubar belässt und dafür mehr in den Fortschritt steckt. Es hat natürlich Vorteile um 1850 schon mit Panzern vorzurücken wenn der andere noch Katapulte durch die Gegend schiebt
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Solange Politik und Diplomatie noch funktioniert…[/perfectpullquote]
Das eigene Volk schreitet nicht nur durch technologischen Fortschritt voran sondern auch durch kulturelle Weiterentwicklung. Zusätzlich zur Wissenschaftlichen Forschung gibt es auch eine sozialpolitische Entwicklung die zudem neue Regierungsformen erlaubt und diverse Verbesserungen die praktisch wie ein Kartendeck mit unterschiedlichen Farben Verbesserungen im jeweiligen Bereich geben (zb Militär, Wirtschaft, Politik). Durch bestimmte Errungenschaften im Spiel (meist der Besitz von Einheiten, dem Bau von Stadtgebäuden oder der Bekämpfung einer speziellen Einheit) lassen sich diese Fortschritte in Wissenschaft und Sozialpolitik doppelt so schnell erforschen (Heureka und Inspiration). Zudem gibt es eine Historie, es gibt also zusätzliche Boni aus der jeweils vorangegangenen Regierungsform.
Die Weiterentwicklung der Bedeutung von Stadtstaaten ist ebenfalls äußerst positiv. Diese können nicht nur für den Handel sondern auch für strategische Vorteile genutzt werden. Das kann zb die Verfügung über die Ressourcen der Stadt sein oder bei entsprechender Beliebtheit kann man gegen Gebühr sogar die Streitkräfte eines Stadtstaats übernehmen
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Zu den Waffen![/perfectpullquote]
Das Kampfsystem ist sehr facettenreich, den Gegner mit Horden an Einheiten zu überrennen wird mit der Gruppierung gewisser Kampfeinheiten zu Corps & Armeen (bei Landeinheiten) bzw Flotten & Armadas (bei Marineeinheiten) etwas übersichtlicher. Auch das Eskorten-System ist eine schöne Sache, damit der Siedler oder Arbeiter nicht ganz ohne Begleitschutz unterwegs ist. Generäle und Admiräle begleiten unsere Einheiten und geben diverse Boni für den Kampf. Eine besonders nette Idee sind die Unterstützungseinheiten die unsere Kampftruppen begleiten und diverse Verbesserungen mitbringen. Der Belagerungsturm im Mittelalter ermöglicht den Fußtruppen den Angriff der Stadtverteidiger schon bevor die Mauern besiegt wurden. Ein Aufklärungsballon verhilft Fernkämpfern in der Moderne zu mehr Fernkampfreichweite und der Militäringenieur errichtet an der Front Straßen, Festungen und Landebahnen
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Sieh genau hin…[/perfectpullquote]
Der einfache Casual-Gamer wird mit Civ-VI wohl etwas überfordert sein, wer jedoch gerne tüftelt und den Reiz der “eine Runde noch …”-Ansage kennt, der wird seine helle Freude am bisher besten Civilization aller Zeiten haben. Die durchaus komplexen Zusammenhänge im Spiel werden von der Beraterin sehr gut erläutert, falls man etwas verpasst hat kann in der im Spiel integrierten “Civilopedia” nachlesen.
Zweifellos liegt die Stärke von Civ-VI im Endlosspiel wo nach Lust und Laune die verschiedenen Tiefen der Spielmechanik ausgereizt werden können. Im ersten Zufallsspiel agiert die KI quasi auf halber Kraft, hier kann man im nächsten Spiel ja gerne nachlegen, falls man wert auf mehr Herausforderung liegt. Für die nächsten Patches sind auch Verbesserungen der KI geplant, diese sollen später eingepflegt werden.
Die Optik des Spiels selbst ist zwar Geschmackssache, jedoch steht die farbenfrohe Gestaltung dem Spiel sehr gut und die Kampf- und Bewegungsanimationen sind immer wieder schön anzusehen (unser Favorit: der Abschuss eines Marschflugkörpers aus einem Atom-U-Boot). Auch die sehr stimmige Musikuntermalung trägt zum positiven Ambiente im Spiel bei, der Soundtrack wurde auch mit so manchem neu interpretierten Klassiker bereichert und bietet eigentlich immer eine passende Begleitung wenn man grad auf Eroberungszug ist.
Um den Entdeckerdrang noch etwas keimen zu lassen, haben wir uns über folgende Punkte nicht genau geäußert … es ist doch auch immer wieder schön selbst die netten Details aufzustöbern:
1. Eigenschaften der unterschiedlichen Völker
2. Auswirkung von strategischen/Luxus/Bonus – Ressourcen
3. Veränderte Bewegungsmechanik der Einheiten
4. schöne Darstellung der nicht entdecken bzw nicht sichtbaren Weltkarte
5. Spionage, ist ja alles geheim 😉
Civilisation VI hat uns als Civ-Veteranen absolut begeistert. Die Neuerungen im Spielkonzept sind äußerst gelungen eingeflossen und werden durch die Berater im Spiel auch für Civ-Neulinge gut erläutert. Die Versuchung noch eine Runde zu spielen bleibt auch nach der Runde 500 unverändert aufrecht … auch wenn’s für den Sieg in Wissenschaft und Kultur nicht gereicht hat, man könnte ja noch versuchen den anderen Völkern kräftig eins überzubraten (damit die Flugzeugträger und Panzer nicht nur so herumstehen).
Weiteres muss noch erwähnt werden, dass das Spiel immer sehr stabil lief. Es kam zu keinen Abstürzen, gravierende Bugs sind nicht aufgetreten (einmal wollte das Spiel die Runde nicht beenden). Schade, dass es die Eisenbahn als aktives Element bzw. Verbesserung nicht mehr gibt.