Anhänger der Disciples-Reihe wurden vor einigen Jahren mit Teil 3 herbe enttäuscht. Da muss Wiedergutmachung her! Aber pronto! Der Großableger und Hauptkonkurrent Heroes of Might and Magic war damals … Schwert auf die Brust … einfach in allen Belangen besser. Neues wurde versucht, Ideen wurden vorgetragen und Innovation wurde verpixelt. Alles nichts gebracht! In Sachen Strategie-Rollenspiel ist die Messers Schneide extrem dünn und man fällt als Entwickler entweder auf die eine oder auf die andere Seite. Daher muss man als Redakteur bei derlei Spiel-Genre genaues Augenmerk auf die Mechanik, Kampf-Balance und die Finessen der Geschichte achten. Ich kann euch eines sagen: Dies ist mit bei Disciples Liberation (leider oder zum Glück) sehr leicht gelungen. Ob dies nun gut oder schlecht für den Spieletitel ist, lest ihr im nachfolgenden Review.
AVYANNA ... WIESO NUR AVYANNA?
Wir starten geschichtlich gleich mitten im Geschehen. Unsere Heldin Avyanna ist gerade mit ihrem besten Freund und Bei-Mann Orion unterwegs, um das Oberhaupt einer bösen religiösen Sekte auszuschalten. Dieser stellt auch gleichzeitig den obersten Bösewicht im Spiel dar. Wäre natürlich eine RPG-Meisterleistung diesen mit Level 1 Charakteren gleich in Spielstunde 1 zu meucheln, nicht wahr? Natürlich scheitern wir kläglich und finden uns interessanterweise durch Zufall an einen mystischen Ort wieder, den wir gleich als Kommandozentrale und Heimat besetzen. So wie man das halt üblicherweise macht in solchen Spielen.
Nicht nur, dass wir eine passende Heimat gefunden haben. Sie lässt sich auch noch ausbauen! So können wir an vordefinierten Plätzen Gebäude errichten, um unsere Helden zu trainieren oder gar neue anzuwerben. Manche Gebäude geben uns einen dauerhaften Vorteil im Kampf oder erwirtschaften Ressourcen für uns. Praktisch! Vielfältig und neuartig ist die Auswahl zwar nicht, aber dennoch lässt sich damit ein wenig vom Schlachtgetümmel zur Ruhe kommen. Eine passende Abwechslung zum Retten der Menschheit … wir bauen eine Kaserne.
Geschichtlich sind wir nun drauf und dran den ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen. Tod dem Sektenführer! Was mit Level 1 nicht geschafft wurde geht mit einer Armee und Level 73 sicherlich. Also auf und angeworben!
FRAKTIONEN-FIASKO
Dazu stehen uns zunächst mehrere Möglichkeiten offen. Genauer gesagt mehrere Fraktionen. Ob nun Horde, Untote oder Ritter. Jeder der ein Schwert halten kann ist potenzieller Kandidat für uns. Nachdem wir uns den doch eher tristen Dialogen der Einführung hingegeben haben stehen uns mehrere Gebiete zur Auswahl in denen es gilt, die dort ansässige Fraktion für uns zu gewinnen. Eine richtige Reihenfolge scheint es nicht zu geben, also entscheide ich mich gleich für den höllenartigen Level … why not?
Zunächst sind wir dort auf der isometrischen Ansichtskarte unterwegs und kundschaften die liebevoll, jedoch detailarme Landschaft aus. Auf der Map gibt es einiges zu entdecken. Verborgene Kisten, herumstreifende Passanten mit Nebenjobs und auch Gegnergruppen, welche Routen abgehen oder einfach stillstehend den nächstgelegenen Schatz bewachen. Zu nahegekommen oder entdeckt wechselt bei Berührung das Spiel in den hexagonalen Kampfmodus. Zunächst bekommen wir die Option zu fliehen, was wir natürlich als verwegene Helden nicht tun.
Im Kampf spielen wir klassisch rundenbasierend unsere Strategie herunter. Die Charaktere haben dabei unterschiedliche Fertigkeiten und sind unterschiedlich einsetzbar. Manche bevorzugen brachiale Gewalt, andere halten sich eher im Fernkampf auf und andere sneaken gerne herum, um dann kritischen Schaden auszuteilen. Wie so oft macht es die richtige Mischung aus. Die Kämpfe sind langatmig, da bis zu 10 Figuren abwechselnd gezogen werden müssen. Die Animationen sind gut, jedoch nach der Zeit wert übersprungen zu werden. Die Sprache wechselte bei mir für manche Aussprachen zwischen Englisch und Deutsch … seltsam. Bilinguale Helden gab es selten … aber naja.
Die Kämpfe sind grundlegend gut in Szene gesetzt und erfordern doch einiges an Strategie. Die KI ist annehmbar leicht gestaltet. Selten wird man von diversen Handlungen der Gegner überrascht. Zumal es in der hinteren Reihe oder auch Zuschauertribüne wie ich sie nenne oftmals Gegner gibt, welche mit Statuszusprüchen oder allgemeinen Perks die kämpfende Meute unterstützt. Das kann mitunter lästig sein und auch ein paar Mal relativ unangenehm unfair. Die Kampf-Balance macht hierbei viel aus. Zum Großteil der Kämpfe ist diese fast zu leicht. Selten ist sie massiv zu schwer … dieser Kampfwandel frustet leider schnell. Punkteabzug in der balance-Wertung somit.
UND DA WAR NOCH ...?
… ja was war es doch gleich? Selten habe ich mir beim dritten Unterkapitel bei einem Review so schwergetan. Weil es eigentlich nichts mehr gibt zu sagen … Die Dialoge sind zwar inhaltlich sehr gut gelungen und kommen oft mit einem guten Witz, jedoch ist die Porträt-Diskussion via Text seit Metal Gear Solid (1, wohlgemerkt) eher out of time … Man muss viel lesen und der Spielfluss wird somit erneut unterbrochen, wo es gerade spannend wird. Die Charaktere sind liebevoll gestaltet, jedoch nicht ganz lebendig. Ich konnte mich schwerlich in die Situation eingliedern. Es blieb eher oberflächlich.
Das Levelsystem entspricht dem klassischen RPG-Standard. Figuren leveln auf, bekommen Fertigkeitspunkte und erlernen neue Skills. Nichts was groß erwähnenswert wäre. Auch nicht in negativer Hinsicht.
Das Craftingsystem ist ebenfalls schon altbekannt. In der umgebenen Welt befreien wir Windmühlen, Felder und Ähnliches von bösen Bestien, um in Anschluss dessen Ressourcen als Einnahme zu gewinnen. Nettes Gimmick nebenbei und auch sehr wichtig zum Fortschritt der Basis aber … seien wir mal ehrlich … auch wenn uns keine Ressourcen winken würden … würden wir dennoch alle Bestien niedermetzeln. Das gebietet das RPG-Ego.
Zum Schluss noch ein kurzer Exkurs zum Thema Autokampf. Gerade bei den langatmigen und offen gestandenen nebensächlichen Kämpfen ist ein Autokampf möglich bzw. schnellere Kampfgeschwindigkeit. Das freut uns sehr und nimmt den gefrusteten Spielern den Frustfaktor enorm. Jedoch ist dieser Modus bei wichtigen Kämpfen (die zumeist vorhanden sind) nicht angeboten. Dadurch ist man gezwungen dort selber Hand anzulegen. Und jeder weiß … das ist niemals so gut wie wenn es ein(e) Fremde(r) macht. Ist halt so …