Der laute Widerhall der sich schließenden Stahltür deines Schiffs, die Stille, die dein Herz beim Aufbruch ergreift, und jeder vorbeiziehende Stern, der dich subtil daran erinnert, dass zu Hause Zeit verstreicht. Ein Traveler zu werden, ist keine Kleinigkeit. Es gibt kein Trainingsprogramm, das dich langsam an das einsame und isolierte Leben heranführt, welches sich wie eine zweite Haut um dich legt. Deine erste Prüfung wird sein, die bekannten Gefahren, die nach deiner Heimatwelt greifen, gegen die unbekannten Bedrohungen während deiner Mission abzuwägen. Alles andere wäre ja auch zu einfach, wie wir auf der Erde zu sagen pflegten.
Nichts, was du bisher erlebt hast, kann dich auf die bevorstehenden Fährnisse vorbereiten. Aber das weißt du bereits. Genau deshalb bist du ein Traveler geworden. Nicht einmal die Angst davor, alles – sogar unsere Leben – zu verlieren, hält uns von unserem Ziel ab, das Überleben unserer Spezies sicherzustellen.
Was macht uns aus? Wir glauben an den Wert unseres Erbes und an das Versprechen unserer Herkunft. Die Überzeugung, dass wir überleben und triumphieren werden, liegt in unserer DNS. Sie ist die mächtigste Waffe, die wir gegen die feindlichen Celestials haben. Wir haben den Kampfgeist nicht verloren, der uns dazu befähigt, das Unvorstellbare zu konfrontieren und dabei zu glauben, wir könnten obsiegen. Wir Menschen teilen den unverwüstlichen Glauben, dass wir existieren sollen. Die Geschichte lehrt uns, im Angesicht des Bösen standzuhalten und unsere innere Stärke zu mobilisieren. Sie lehrt uns, unseren Glauben an die Menschheit als Treibstoff für unsere Taten zu nutzen. Dieses Band vereint uns, während wir für das Überleben der Menschheit, für unsere Erlösung, kämpfen. Das ist unsere Geheimwaffe gegen die Celestials. Nun ja, zumindest eine davon.
Wir denken kaum darüber nach, dass es an ein Wunder grenzt, einen Exodus zu überleben. Oberflächlich betrachtet scheinen wir nicht gewappnet zu sein, gegen eine so unüberwindliche Macht zu kämpfen und zu obsiegen. Doch was uns an körperlicher Stärke oder Technologien fehlt, machen wir durch Tapferkeit, Entschlossenheit und Hingabe wett. Wir setzen unsere Herzen gegen ihren Verstand ein, wir übertrumpfen ihre Zielgerichtetheit mit unseren Instinkten und ihre Innovationen mit unserer Inspiration. Unser Mission ist spirituell; mit ihr verpflichten wir uns zur Erlösung der Menschheit. Ihr Ziel ist praktischer Natur. Basierend auf der Logik, dass sie uns Jahrtausende voraus sind und evolutionär längst hinter sich gelassen haben, brauchen – oder wollen – sie uns nicht. Wir sind nur eine düstere Erinnerung an eine Vergangenheit, die sie lieber vergessen wollen. Doch triumphiert Überlegenheit über Spiritualität? Tut sie das wirklich?
Traveler sind so besonders wie eigentümlich. Wir haben uns dem Kampf gegen einen Feind verschrieben, der weitaus intelligenter ist als wir. Die Celestials, mit denen wir einst, vor 40.000 Jahren, auf Augenhöhe waren, sind nun immens fortschrittliche Wesen mit immensem Scharfsinn, überlegener Technologie und damit auch großer Macht. Für die Celestials sind wir Überbleibsel einer Vergangenheit, von der sie sich losgesagt haben. Wir sind nutzlos und – schlimmer noch! – eine Bedrohung für ihr Fortbestehen und ihre Vorherrschaft. Sie sehen uns als eine temporäre Plage an, die ausgelöscht gehört. Für uns stehen sie wiederum für das, was passiert, wenn man seine Menschlichkeit auf dem Altar der Technologie opfert. Wir kämpfen, um das Gleichgewicht zu unseren Gunsten zu kippen und eine neue Zivilisation zu erschaffen, die weiser, barmherziger und verbundener ist.
Egal von welcher Heimatwelt er auch stammt, ein jeder Traveler ist an Die Ersten Prinzipien gebunden: „Erachte nichts als gegeben, hinterfrage alles.“ Diese Philosophie ist essenziell, um in einem Universum, in dem so viele Überzeugungen der Menschheit auf die Probe gestellt oder gleich verworfen und für irrelevant befunden werden, nicht den Verstand zu verlieren. Da unsere Reisen uns trennen und zu fernsten Sternen führen, können wir uns nur selten mit einem unserer Kameraden austauschen. Doch wir sind verbündet in unserem gemeinsamen Glauben an die Menschheit. Wir wissen, dass sie da draußen sind und für uns kämpfen.
Unser gemeinsames Band ist, dass wir dem wahren Feind nie entkommen können: der Zeitdehnung. Während wir scheinbar nur Wochen auf einer Mission verbringen, ziehen zu Hause Jahre ins Land. Die Zeit dehnt und verzerrt sich. Sie formt unsere Heimatwelt auf ungeahnte Weise um, und damit auch jene, die uns teuer sind und die wir zurücklassen mussten. Bande nach Hause werden strapaziert, unsere Beziehungen auf die Probe gestellt und der Schmerz, von all denen getrennt zu sein, die wir ins Herz geschlossen haben, ist ein ständiger Begleiter auf einer jeden Mission. Im endlosen Raum ist die Stille ohrenbetäubend und gibt unseren Albträumen freie Hand. Am herzzerreißendsten ist es, wenn wir nach Hause zurückkehren, nur um unsere Heimatwelt geplündert oder zerstört vorzufinden. Die Schrecken, die während unserer Abwesenheit über unser Zuhause herfallen, lassen jeden Erfolg – egal ob hart erkämpfte Relikte, Maschinen oder Erkenntnisse – verblassen. Äußerlich wirken wir zwar unverändert, doch unsere Seelen tragen immerwährende Narben.
Das Leben eines Traveler ist ein heldenhaftes Streben nach Überleben und Spiritualität, getrieben von Können und Durchhaltevermögen (was unseren technologisch fortgeschrittenen Nachfahren abhandengekommen ist). Es geht weniger darum, dem Unbekannten zu trotzen, sondern viel mehr um den Widerstandswillen, der einem kühnen Herzen und einem entschlossenen Geist entspringt. Wir sind die ewigen Krieger der Menschheit, die durch Zeit und Raum reisen, um sich dem Unerwarteten zu stellen und das Unvorstellbare einzufangen. Wir sind die Entdecker, die Schatzsucher, die Archäologen, die Wissenschaftler und die Ingenieure … Wir sind die Wegbereiter, die gegen alle Barrieren und Hindernisse ankämpfen, die uns den Weg in eine bessere Zukunft versperren. Und wir sind auch Mütter und Väter. Söhne und Töchter. Freunde und Liebende. Wir kennen es nicht anders, als Widrigkeiten zu überwinden. Das ist unser Vermächtnis … und zwar dasselbe Vermächtnis, das uns seit der Erde folgt, wo wir dem Aussterben entkommen sind. Wir sind nicht so weit gekommen, um stillschweigend zu sterben.
Für alle von uns ist eine jede Exodus-Mission ein Sprung in den Abgrund, den wir mit nur einer Gewissheit antreten: Wenn für uns Tage verstreichen, vergehen zu Hause Jahrzehnte. Die Zeitdehnung ist Segen und Fluch zugleich. Jede Minute mit den uns Nahestehenden, die wir verlieren, und jede Träne, die wir bei unserer Rückkehr vergießen, ist ein Teil unserer Geschichte und eine Erinnerung an unsere Menschlichkeit. Wir treffen eine jede unserer Entscheidungen, damit wir der Zeit keine Opfer mehr erbringen müssen. Wir kämpfen an der Front im letzten Kampf der Menschheit: Überleben gegen Auslöschung. Wir sind die letzte Hoffnung der Menschheit. Wenn man an unsere Geschichte als Spezies zurückdenkt, haben wir bereits politische Umstürze, kulturelle Revolutionen und Kriege überlebt. Wer weiß … Irgendwann wird es vielleicht einen neuen Unabhängigkeitstag geben, einen Tag, an dem wir die zeitlosen Opfer der Traveler für die Zukunft der Menschheit feiern und ehren werden.
Und das, mein Kind, bedeutet es, ein Traveler zu sein. Wir existieren jenseits der Zeit; das ist der Preis, den wir zahlen. Ich hoffe, dass unsere Geschichte eines Tages „in die Geschichtsbücher“ von Centauri eingehen wird.