Ghost of Tsushima hat seinen Ursprung beim Entwickler Sucker Punch. Das Unternehmen kennt man unter anderem von Spielen wie Infamous 1, 2, Infamous: Festival of Blood, Second Son und The Sly Collection. Als Herausgeber kommt bei einem Playstation Exclusive natürlich nur Sony Interactive Entertainment in Frage und da die Ära der 4. Generation der Playstation zu Ende geht, kann man annehmen, dass Sony sehr darum bemüht ist, mit den letzten Exclusives welche erscheinen, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Dass sich das als eine schwierige Aufgabe herausstellt, wird spätestens dann klar, wenn man einen Blick in die Vergangenheit wagt: hier konnten Titel wie Sekiro: Shadows Die Twice oder Nioh den Markt bereits erfolgreich mit dem Genre der Samurai füttern. Ist Ghost of Tsushima also fehl am Platz, oder konnte die Kombination aus Sucker Punch und Sony eine Punktladung machen?
Die Devise der Entwickler lautet gleich zu Beginn “den Spieler ins kalte Wasser werfen”. Wir treten unsere epische Story-Reise direkt am Strand von Tsushima an, wo sich vor uns eine gigantische mongolische Armee aufbaut und sich vorbereitet, die japanische Insel anzugreifen. Wir schlüpfen in die Rolle des Lord Jin Sakai, welcher Lord und zugleich Samurai nach dem Tod seiner Eltern wurde. Jin steht an der Seite seines Onkels Shimura, welcher Jin unter anderem nach dem Versterben seiner Eltern aufgenommen und ausgebildet hat, und ist fest entschlossen, Ihm in den kurz bevorstehenden Tod zu folgen.
Die Entwickler zeigen direkt zu Beginn die riesige Diskrepanz zwischen Mongolen und Japaner, was Ehre und Kampfhaltung betrifft: einer der Lords wird losgeschickt um den stärksten Mongolen-Krieger herauszufordern, um so den Kampfgeist der Widersacher direkt am Beginn der Schlacht zu brechen. Jedoch kommt es nie zu diesem Duell der Stärksten, da der besagte Krieger den Samurai einfach mit Öl überschüttet und feige anzündet.
Kurz darauf befehligt Shimura den Angriff auf die zahlenmäßig weit überlegenen Mongolen. Das Ziel der rund 80 Samurai war nie den Angriff des Khotan Khan tatsächlich zu stoppen, sondern lediglich mit ihren Opfern die Invasion zu verlangsamen, um so den restlichen Truppen die Chance zu geben, sich zu formieren und vorzubereiten. Wie es zu erwarten war, metzeln die Angreifer die Samurai nach der Reihe nach nieder und demonstrieren ihre Art zu kämpfen: nicht nur mit Schwert und Speer, sondern auch mit Bomben und allerlei anderen Kriegstechniken.
Auch wir werden nach ein paar Minuten des Aufschlitzens und Abstechens mit zwei Pfeilen in den Rücken tödlich verletzt. Unser Onkel wird in Gefangenschaft genommen, denn der Khan erhofft durch die Kapitulation von Shimura, dass sich die restlichen Samurai widerstandslos ergeben.
Wie durch ein Wunder überleben wir den Angriff und werden von der Diebin Yuna gerettet und zusammengeknüpft. Gerade eine Diebin rettet einen Samurai, welche normal streng nach einem Ehrenkodex leben und sich genau von solchen Gestalten fernhalten, was für ein Paradoxon! Yuna rettete den Samurai jedoch nicht aus Nächstenliebe, sondern verfolgt ihre ganz eigenen Ziele, für welche sie die Hilfe von Jin benötigt: die Rettung ihres verschleppten Bruders. Am Anfang bestreiten wir viele Missionen mit Yuna und diese zeigt uns auch, dass man nicht immer ehrenhaft kämpfen kann – wer nämlich den offenen Konflikt sucht, riskiert dabei durch seine Anwesenheit Gefangene zu opfern – so mutiert zeitweise Jin unfreiwillig zu einem Assassinen und tötet Gegner aus dem Schatten heraus.
EINDRINGLICHES CHARAKTERDESIGN
Ghost of Tsushima spielt im Japan des Jahres 1274, also in der Kamakura-Zeit (1185-1333). Zu dieser Zeit hatte ein japanischer Kaiser das sagen, jedoch bildeten sich sogenannte Shogune und stellten die Gegenseite zum Kaiser dar. Diese Zeit kann man sich als eine Epoche des ständigen Konflikts und der Bürgerkriege vorstellen. Jeder wollte demonstrieren, dass er der stärkste sei und schickte deshalb seine Samurai in den Kampf. Die Samurai selbst waren meist in Clans oder Familien Bünden organisiert und hatten oft Titel wie “Lord” inne, waren jedoch dem Shogun unterstellt. Das Ziel der Samurai war es stets nach deren Kodex zu leben, Ehre, Ruhm und auch Macht zu erlangen. Das Substantiv “Ehre” ist auch ein Schlagwort dafür, wie der Name des Spiels zustande kam. Aus dem Schatten oder Geheimen heraus seine Gegner zu töten, wurde unter den Samurai als unehrenhaft angesehen. Darum agiert unser Protagonist auch als “Ghost” und nicht als “Samurai of Tsushima”.
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Die Mongolen-Invasion wie sie im Spiel demonstriert wird gab es tatsächlich. Die japanische Insel wurde als ein militärisch und strategisch wichtiger Punkt angesehen, da man von hier aus über den Seeweg sehr leicht zu den koreanischen und japanischen Halbinseln gelangen konnte. Auch die technische und militärisch Überlegenheit der Mongolen beruht auf wahren Begebenheiten und die Samurai mussten während dieser Zeit ihre Art des Kämpfens und der Kriegsführung etwas überdenken. Letztlich konnte die Invasion durch zwei Taifune gestoppt werden, da bei jedem dieser Taifune (1274 und 1281) die komplette mongolische Flotte zerstört wurde. Seit je her ist dieser Wind als “Kamikaze” oder “göttlicher Wind” bekannt.
Durch die geschichtliche Korrektheit hat die Story einen wahnsinnigen Tiefgang erhalten und sticht im Spiel hervor. Aber nicht nur die Story wurde mit bravour umgesetzt, sondern auch die Charaktere! Ghost of Tsushima schafft es jeden Charakter den wir kennenlernen interessant wirken zu lassen und man hat einfach das Verlangen, mehr über diese Person zu erfahren. Im Verlauf des Spiels können wir viele Verbündete für uns gewinnen und bekommen deren Geschichten erzählt. Aber auch unscheinbare NPCs, welche uns um unsere Hilfe bitten, haben viele informative und spannende Dialoge zu bieten. Stehen bleiben und die Hauptquest für eine kurze Zeit ruhen zu lassen zahlt sich also aus!
PLUMPES QUESTDESIGN IN EINER BOMBASTISCHEN SPIELWELT
Der Missions-Aufbau des Spiels kann am ehesten als “klassisch” bezeichnet werden. Wir bekommen die Möglichkeit zwischen der Hauptmission und mehreren Nebenmissionen zu wählen und bestimmen so auch das Tempo des Spiels. Für die Mainquest muss man in etwa 20 Stunden einplanen und mit allen Nebenmissionen und Erkundungen kommt man noch einmal auf ca. 20 bis 40 Stunden Spielzeit.
Die Wahl der Missionen kann man sich am besten wie bei GTA vorstellen. Wir sehen auf unserer Landkarte Missions-Marker, wenn wir zu so einem hinreiten, können wir die besagte Mission starten. Ghost of Tsushima verzichtet auf eine Minimap und leitet uns durch die Landschaft mittels eines “Windes”. Dieser Wind zeigt uns durch aufgewirbelte Blätter und sichtbare Windböen in welche Richtung wir gehen müssen, um an unser Ziel zu gelangen. Dieses Feature ist wohl eine Anlehnung an den oben angesprochene “göttlichen Wind” welcher am Ende den Sieg über die Mongolen beschert hat.
Das Questdesign der Missionen stellt in meinen Augen neben ein paar kleineren Clippingfehlern den einzigen wirklichen Kritikpunkt im Spiel dar. Leider sind die Missionen etwas eintönig und wiederholen sich im Kern sehr gerne einmal. So müssen wir gezielt Gegner töten, Objekte sammeln, ein Dorf im Geheimen infiltrieren oder einfach Informationen sammeln. Dafür bietet die Spielmechanik Möglichkeiten die Quests etwas innovativer zu gestalten (mehr dazu etwas weiter unten).
Aber keine Angst! Das Game hat einige Story-Überraschungen in seinem Repertoir, ich will euch gar nicht zu viel verraten nur: es wird richtig episch!
Die Spielwelt kann man dafür nicht mit einem “klassisch” abstempeln. Das echte Tsushima ist eigentlich sehr einheitlich grün, die Entwickler haben sich dadurch jedoch nicht ihre Kreativität nehmen lassen und weichen hier von der Realität sehr stark ab – und das ist gut so! Die Welt bekommt verschiedenen Klimazonen spendiert, weitläufige Wälder, Berge und ein wechselhaftes Wettersystem. Somit durchqueren wir die bunte Welt von Ghost of Tsushima mal bei schönstem Sonnenschein oder aber es kann passieren, dass die Wolken über uns losbrechen und wir durch Matsch und Schlamm waten müssen. Auch unserem Protagonisten gefällt diese Welt sehr, denn wenn wir durch hohes Gras oder Blumen galoppieren, beugt sich dieser öfters in Richtung Boden und durchstreift mit seiner Hand die Halme oder Blüten.
EINE SPIELMECHANIK DIE NIE LANGWEILIG WIRD
Die Spielmechanik ist, wer hätte es gedacht, voll und ganz auf das Katana ausgelegt. Wir haben leichte und schwere Hiebe zur Verfügung, so wie die Möglichkeit unsere Haltung zu ändern. Mit den schweren Hieben können wir die Verteidigung unserer Gegner durchbrechen und danach tödliche Hiebe setzen. Das Spiel unterscheidet des Weiteren zwischen parierbaren und unparierbaren Angriffen der Gegner. Zum Beispiel kann man einen Speerstoß nicht parieren, sondern muss diesem geschickt ausweichen und dann zum Gegenangriff ansetzten.
Dabei setzt uns das Spiel verschiedene Gegnerklassen entgegen, welche wir immer mit der richtigen Haltung und mit den richtigen Fähigkeiten angreifen müssen. Tun wir das nicht, segnen wir relativ schnell das Zeitliche. Auf Medikitis oder Magie wird verzichtet, dafür hat unser Charakter sogenannte Entschlossenheit, welche sich in gelben Kreisen manifestiert. Diese können wir mit erfolgreichen Paraden oder durch das Töten von Gegnern auffüllen. Mit der Entschlossenheit heilen wir uns oder setzen tödliche Fähigkeiten ein.
Ghost of Tsushima bietet drei Schwierigkeitsstufen. Wir haben uns für “Mittel” entschieden und müssen sagen, dass auch hier schon die Kämpfe sehr anspruchsvoll gestaltet sind, deshalb kommt man mit bloßen Button-Smashing auch nicht sehr weit. Man muss mit Bedacht die richtige Haltung auswählen und gegen die Gegner einsetzten. Die Widersacher bieten bis zum Ende hin immer wieder kampf-technische Neuerungen an und deshalb wirkt das Game zu keinem Zeitpunkt langweilig oder eintönig. Auch eine sehr interessante Art den Kampf zu beginnen ist mittels “Herausforderung”. Da fordern wir unseren Gegner zu einem Standoff heraus. Wenn beide Duellanten in Position gegangen sind, halten wir die Dreieck-Taste gedrückt und lassen diese erst dann los, wenn unser Gegenüber zum Angriff ansetzt. Daraus resultieren wahnsinnig imposante Tötungsanimationen und ein grandioser Einstieg in eine glorreiche Schlacht, welche uns mehr Ruhm und Ehre bringen soll!
VISUELLES MEISTERWERK MIT SCHÖNER SOUNDKULISSE
Die grafische Umsetzung kann sich auch sehen lassen, vor allem die Charaktere und deren Gesichtszüge, so wie der von der Stirn tropfende Schweiß wurde einmalig umgesetzt. Ab und zu fallen einem matschige Texturen auf, diese stören aber bei dem genialen Gesamtpaket kein bisschen. Immerhin ist die Playstation 4 mittlerweile auch schon in die Jahre gekommen, deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass Entwickler immer noch so visuelle Meisterleistungen auf unsere Bildschirme zaubern können. Ab und zu kam es zu den einen oder anderen Clippingfehler, vor allem bei der Verwendung der Foto-Modus. Hier kann man das Spiel pausieren und die Kamera frei hin und herbewegen, sowie einige zusätzliche Funktionen an oder abschalten (Filter, Bokeh, Brennweite, Effekte, etc.).
Zu Beginn kann man noch auswählen, ob man das Spiel in deutsch, englisch oder japanisch (mit Untertitel) spielen möchte. Wir haben uns für japanisch entschieden und man muss sagen, es wirkt verdammt authentisch. Als kleines Extra für alle Filmnerds gibt es noch den Kurosawa-Modus. Die Idee dahinter war, das Spiel den Look zu geben, wie es für den gleichnamigen Regisseur üblich ist. Mehr als ein Filter ist dieses Extra jedoch nicht und einige Objekte sind dadurch sogar schwerer zu erkennen.