NieR: Automata ist etwas neues Altbekanntes. Die Rollenspiel-Szene ist bereits öfters von derlei Endzeit-Titeln beglückt worden. NieR:Automata geht jedoch in Punkto Gameplay andere Wege als die klassischen Dungeon-RPG’s und bringt zur großen Überraschung altbekannte 2D-Arcade-Game-Spielelemente im Spiel unter. Ob diese Mischung das Genre neu definiert und begeistert erfahrt ihr im nachfolgenden Review.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Glory for Mankind[/perfectpullquote]
Wir schreiben das Jahr 5012 in dem die Geschichte der Menschheit auf der Erde eine plötzliche Wendung nimmt. Durch das Erscheinen außerterrestrischer Lebewesen auf der Erde ist diese gezwungen sich zu verteidigen. Die Aliens infizieren die auf der Erde bereits hochentwickelte Technologie für sich, sodass sich diese selbstständig gegen die Erdbewohner auflehnt und einen weltweiten Krieg anzetteln, welchen die Menschen auf der Erde nicht gewinnen können. Die Überlebenden des grünen Planeten sind gezwungen sich auf den nahegelegenen Mond zurückzuziehen, um sich für einen entsprechenden Rückschlag neu zu sammeln.
Knapp 200 Jahre später ist dieser Rückschlag in Form der Spezialeinheit YoRHa wortwörtlich zur Welt gebracht. Diese Spezialeinheit besteht aus humanoiden Roboter, welche per Raumstation namens „Bunker“ auf die Erde geschickt werden, um diese von den umgedrehten Robotern zu befreien und für die Menschen wieder bewohnbar zu machen. Mit dieser Aufgabe ist das sogenannte Model 2B und dessen Kollegen betraut worden. Werden Sie es schaffen??? Wir werden unsere RPG-Fähigkeiten bestens einsetzen um dies herbeizuführen!
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Leichtbekleidete Mädchen und große böse Roboter[/perfectpullquote]
NieR:Automata wirkt bereits nach nur wenigen Spielsekunden außergewöhnlich. Zunächst wird uns mitgeteilt, dass das Spiel NICHT automatisch speichert und wir erst „herausfinden“ sollen, wie gespeichert wird. Oookay … das ist neu! Ich musste die Meldung mehrmals lesen, um sicher zu sein, dass ich mich nicht verlesen habe. Nun gut, das müssen wir vorerst wohl oder übel (aber auch gespannt) akzeptieren. Die weiteren Spielminuten sind ebenfalls sehr neuwertig. Statt von der ersten Cutscene in die actionreichste Sequenz zu starten verbleiben wir im 2D-Bereich und schießen uns, ähnlich der alten Spielhallen-Shooter ala Lylat Wars für Nintendo durch raue Raumschiffgegner! Das ist doch einmal neuer Wind im Genre!
Tatsächlich wechselt man im Spielverlauf fließend in den Kampfszenen durch verschiedene Ansichtsmodi. Von der klassischen Third-Person-Ansicht, über Vogelperspektive hin zu unserer überaus beliebten „2D-Jump’n’Run Seitenansicht. Die Kämpfe und Level bekommen dadurch ein abwechslungsreiches Flair und gewinnen somit immens an Spannung. Die Kämpfe selbst bestreiten wir mit zweierlei Schwerter und einem Unterstützungsbot namens „Pod“, welcher uns tatkräftig mit fliegendem Blei unterstützt. Die Steuerung ist angenehm smooth und die Ausweichmanöver fühlen sich äußerst realistisch an. Man kann entscheiden, ob man mit Schusswaffengewalt vorgeht oder Hand anlegt und die Gegnerdrohnen mit dem Schwert vernichtet. Es entwickelt sich eine eigene bevorzugte Kampfstrategie.
Die Gegner, zumeist kleinere und größere Roboter, wirken zunächst nicht aus dem Jahr 5000! Sie scheinen eher Vormodelle von R2D2 zu sein. Nun gut … dieses Cyberpunk-Element akzeptieren wir lautlos. Die Gegner greifen entweder aus der Ferne mit fiesen aber langsamen Geschossen an, von denen man einzelne sogar zerschießen kann, oder aus der Nähe mit kreiselnden Armen. Die größeren Exemplare sind schneller unterwegs und haben zudem Flächenattacken im Petto. Manchmal taucht ein durch ein Schild geschützter Feindroboter auf. Wir zerschlagen das Schild und heizen mit unserm Pod darauf. Erledigt! Alles in Allem bietet NieR:Automata in den ersten Spielminuten und Level eine verdammt innovatives Konzept an! Der Level-Endgegner ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern … oder doch gerade von schlechten Eltern? Hm, egal. Der haushohe Roboter attackiert uns zunächst persönlich und im späteren Verlauf aus der Ferne, wenn wir mit unserem Raumschiff unterwegs sind. Der Kampf wirkt voluminös und sehr episch. So haben die Rollenspieler es gerne! Der Kampf ist toll inszeniert und musikalisch perfekt in Szene gesetzt. Nach Vernichtung des Gegners springen aus dem Tutorium-Level heraus, können endlich speichern (bislang musste man den Level wiederholen wenn man draufgegangen war) und können uns nun endlich der Hauptstory widmen.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=“#f84103″ class=““ size=““]Multi-Ending, shared Bodies und Open-World![/perfectpullquote]
Nach dem einleitenden Spektakel finden wir uns auf der Raumstation Bunker in einem neuen Körper wieder. Scheinbar werden die Androiden in einer Art Cloud gespeichert und können erneut in Körper hochgeladen werden. Das passt recht gut in das Sterbe-Konzept des Spiels. Kurzerhand sehen wir uns auf der Raumstation um und laden uns erneut auf die Erde hinunter, wo wir die Rettung der Menschheit vorantreiben wollen. Begleitet durch unsere treuen Freunde Pod und 9S (alle Androiden haben als Namen lediglich eine Art Modellnummer).
Auf der verlassenen und von der Natur zurückeroberten Welt machen wir uns auf die Suche nach Android-Stämmen um Quests und Ruhm einzuheimsen. Das Spiel basiert ab diesem Zeitpunkt auf einem (teilweisen) Open-World-Prinzip. Man läuft herum, holt sich Neben- oder Hauptquest-Aufgaben und levelt entsprechend den Kampferfahrungen seinen Charakter hoch. Ab hier beginnt jedoch der Zahn der Tristsamkeit in NieR:Automata einzusetzen … Von der anfänglichen überragenden Action im Tutorial-Level ist in der offenen Welt wenig geblieben. Ab und an läuft eine Gegnerschar von 3-5 Gegner umher, die man zumeist locker besiegt und wenig Erfahrung bekommt. Die meiste Zeit geigt man zu Fuß durch den wortwörtlich überwucherten Großstadt-Dschungel und sucht einen Weg an den Gebäuden vorbei zum Questmarker. Leider kann man in fast kein Gebäude hinein oder durch Schleichwege daran vorbei. Man muss tatsächlich den kompletten Umweg um das Gebäude einschlagen. Die Umgebung in der Stadt wirkt leblos … aber nicht im guten Endzeit-Sinne. Es bewegt sich kaum etwas, es sind kaum Details vorhanden und die eingestürzten Häusereingänge sehen alle irgendwie gleich aus. Scheinbar gab es in der Zukunft nur drei Automobilmodelle, welche leblos herumstehen. In den Gebäuden sind keine Möbel und auf den Straßen keine Zeitungsständer, Parkuhren oder ähnliches. Da haben wir schon lebhaftere Ruinen gesehen … Schade. Die Atmosphäre leidet darunter immens.
Die fehlende Action macht die Sache leider auch nicht besser. Klassisch werden wir für unseren ersten Quest gebeten bestimmte Gegenstände von Gegner in der Nähe zu ergattern. Prompt machen wir uns auf und erschlagen die markierten Gegner und sammeln deren Items auf. Leider um ein Item zu wenig als im Quest gefordert … nun gut … was nun? Auf der Karte (die übrigens lächerlich nach 8-Bit-Spiel aussieht) ist nur diese Gegnerschar markiert! Wir laufen kurz rum und kommen wieder um zu sehen ob neue Gegner vorhanden sind … nichts! Auch in der Umgebung kein Gegner in Sicht, welchen wir um den begehrten Gegenstand erleichtern könnten. Das frustet das Videospielherz aber gewaltig. Erst durch Erkundungen am anderen Ende der Karte lässt ein Gegner scheinbar zufällig den erwähnten Gegenstand fallen … in einem RPG höchst seltsam und Gameplay-technisch schwer fragwürdig.
So hantelt man sich Quest per Quest in der Geschichte voran. Leider verliert das Spiel dadurch das innovative Flair komplett und spielt sich wie ein kopiertes RPG, das wir bereits zigmal kennen. Dies ist wohl das größte Manko an NieR:Automata! Gespeichert wird an überdimensionalen Getränkeautomaten in der offenen Welt. Diese müssen aktiviert werden, um in einem bestimmten Areal darum speichern zu können. Gelevelt wird automatisch. Es können jedoch einzelne Chips in unser Android-Modell eingesetzt werden um dessen Fähigkeiten aufzubessern. So erhalten wir beispielsweise Auto-Aim-Funktionen, erhöhen unseren zugefügten Schaden oder verbessern unsere Lebensanzeige. Auch Statusanzeigen, Meldungen, Informations-Pop-Ups oder HUD-Unterstützungen können gekauft, gefunden und hinzugefügt werden. 2B (ein leicht philosophischer Modelname) hat hier allerdings, ähnlich eines RAM-Bausteines nur eine begrenzte Speicherkapazität zur Verfügung, welcher durch höhere Level erweitert wird. Setzt man nun einen Chip ein, verbraucht dieser je nach Fähigkeit mehr oder weniger Speicherplatz. Man kann so viele Chips einsetzen wie Speicherplatz besteht. Dadurch sind individuelle Charakterentwicklungen möglich. Stirbt ein Spieler in NieR:Automata (und ist Online verbunden) sieht 2B in der freien Welt seine Leiche, kann um ihn beten, beleben oder dessen Gegenstände aufnehmen. Im zweiten Fall folgt uns der zunächst deaktivierte Kollege und unterstützt uns eine Zeit lang. Dieses Prinzip kennen wir bereits ähnlich aus Dark Souls, passt aber relativ gut in die NieR:Automata Welt hinein. Stirbt man selbst muss man ebenfalls ähnlich die eigene Leiche schnell aufsuchen um die Chips einzusammeln. Stirbt man am Weg ist der Sammeltrieb hinfällig gewesen und man muss neu und gefrustet beginnen die Chips einzusammeln.
Interessant ist ebenfalls, dass es mehr als 30 verschiedene Enden geben soll. Das Spiel ist dadurch ausgelegt mehrfach gespielt zu werden. Wie die Story gelenkt wird müsst ihr selbst herausfinden. Dazu verraten wir hier an der Stelle nichts. Ihr könnt euch allerdings denken, dass in dieser episch wirkendenden Geschichte schwere moralische Fragenstellungen aufkommen werden. Ob ihr der Menschheit am Mond nun wirklich final helft oder euch doch anderwärtig entscheidet, sei euch überlassen.
Leider reißt der anfängliche innovative Charakter von NieR:Automata nach dem Tutorial-Level abrupt ab und wir spielen eine Mischung aus Final Fantasy XV, Ghost in the Shell, Dark Souls und The Last of us, die leider nicht so interessant wirkt wie hier gerade beschrieben. Die offene Welt ist, bis auf wenige Details, nur trist gestaltet und ziemlich actionlos. Die wenigen Roboter, welche uns ans künstliche Leder wollen sind lachhaft und kaum der Rede wert. Auf einem einfacheren Schwierigkeitsgrad wird uns sogar das Zielen, Ausweichen und Kämpfen abgenommen. Man muss den Charakter lediglich zum Gegner hinbewegen … der Rest passiert von alleine. Leider vergibt hier NieR:Automata extrem viel Potenzial! Auch wenn um die leicht-bekleidete Hauptdarstellerin (ja man sieht tatsächlich häufig unter den Rock) viel Wind und Hype gemacht wurde, kann ich dieses Flair leider im fertigen Spiel nicht sehen. Definitiv gibt NieR:Automata eine interessante und durchgehende Geschichte ab, die es allemal wert ist gesehen zu werden. Von Innovation und Neuigkeitswert ist hier jedoch nicht die Sprache. Sogar das obligatorische Fischen wurde aus erfolgreichen Schwester-Projekten überflüssigerweise übernommen. Scheinbar wird dem Fischen in asiatischen Spielen großem Wert beigemessen. Warum auch immer. Abschließend gesagt, erwischt mich NieR:Automata eiskalt. Square Enix vergibt hier sehr viele Chancen auf ein Game-Highlight. Allemal Schade.