Passend zu unserem Review über das MV7 von Shure, präsentieren wir euch als nächstes Produkt im Lineup das MV88+. Alleine wenn man sich die Größe der Hardware ansieht, weiß man sofort, welchen Kundenkreis dieses kleine Stück Technik ansprechen möchte. Gedacht ist das MV88+ als idealer Begleiter für alle Content-Creator die viel mit ihrem Telefon filmen und auch on the road jederzeit bereit sein müssen, in sehr hoher Qualität neuen Inhalt zu erstellen. Die modernen Smartphones bieten allesamt gute Kameras, mit welchen man nicht nur gestochen scharfe Fotos schießen, sondern auch teilweise in Kino-Qualität aufnehmen kann. Was sich jedoch bei allen Highendgeräten durchzieht, ist, dass es kaum eingebaute Mikrofone in guter Qualität gibt. Mit diesen kann man zwar eine spontane Aufnahme machen, aber auf keinen Fall in passabler Tonqualität oder gar in Stereo. Mit knapp über 200 EUR schlägt das Mikrofon auf den ersten Blick zwar ordentlich zu Buche, ob es den Preis auch wert ist oder ob man doch lieber bei seinem eingebauten Mic am Telefon bleiben sollte, klären wir jetzt.
Das Mikrofon gibt es in mehreren Varianten zu kaufen, wir haben für den Test das MV88+ mit einem USB-A und USB-C Kabel bekommen und verwenden das Stativ, welches im Set des MV7 mitgeliefert wurde. Das Mikrofon als Standalone (ohne Popfilter) gibt es um 185 EUR zu erwerben oder eben direkt mit dem Tripod knapp über 200 EUR. Als dritte Variante bin ich noch über ein Handy-Kit gestolpert, welches auf Amazon erhältlich ist. Darin sind enthalten das Stativ, eine Klemme für das Telefon inklusive Mikrofon-Halterung, welches direkt auf den Tripod montiert werden kann und zwei sehr kurze Verbindungskabel (Lightning und USB-C). Dieses Set gibt es noch als Alternative mit den SE215 Ohrhörer, mit welchen man direkt über das MV88+ das Monitoring betreiben kann.
Wie auch das MV7 ist dieser kleine Kumpane sehr stark von der Software abhängig und benötigt daher entweder die ShurePlus MOTIV Audio App oder die ShurePlus MOTIV Video App. Aber zur Software gleich noch mehr. Wichtig anzumerken ist an dieser Stelle auch, dass das Mikrofon nicht mit dem iPad Pro kompatibel ist. Ich habe diesen Hinweis gelesen, wollte es mir aber dennoch selbst ansehen und es stimmt. Das iPad erkennt zwar das Mikrofon, ich kann auch meine Sprache damit aufnehmen, aber die gesamte Palette an Settings, welche man eigentlich vornehmen können sollte, sind nicht verfügbar. Das iPad erkennt bloß ein “externes Aufnahmegerät”. Ebenso eine kleine Warnung für alle die sich das MV88+ kaufen wollen: Manche Androidgeräte versorgen das Mikrofon nicht mit ausreichend Strom und sind dann auch nicht funktionsfähig.
KLEIN & KOMPAKT
Das MV88+ ist ein digitales Stereo-Kondensatormikrofon, bedeutet es kann zwischen von links und von rechts kommender Audioquelle unterscheiden. Dies hat insofern den Vorteil, wenn man zum Beispiel ein vorbeifahrendes Auto filmt, dass man diesen von „rechts nach links Effekt“ auch am Film hat. Dies wird dadurch umgesetzt, dass das Mikrofon eine Mitte/Seite Mikrofonierung nutzt, welche über einen einstellbaren Aufnahmewinkel fokusiert werden kann. Man kann also per Software wählen, ob man das gesamte Spektrum des Mikrofons auf der Spur haben will oder eben nur einen Ausschnitt. Wie auch das MV7 besitzt das MV88+ über einen integrierten Kopfhörerausgang, mit welchen man in Echtzeit Monitoring betreiben kann. Dies ist natürlich mit jedem 0815 Kopfhörer möglich, welchen man per Aux (3.5mm) anschließen kann. Dies erspart lästiges nacharbeiten, sollte man die Settings vor der Aufnahme falsch eingestellt haben. Der Grenzschalldruckpegel beträgt 120 dB und die Software ist sowohl für iOS als auch Android verfügbar. Wie oben bereits erwähnt, bei Android Telefonen aufpassen wegen der Stromzufuhr und nicht mit einem iPad Pro verwenden. Die Verwendung auf Windows oder Mac ist natürlich ebenso möglich. Unsere Testaufnahmen haben wir auch hier über das MacBook Pro aufgenommen. Die Maße betragen 27x27x77 mm (H x B x T) und es wiegt 79g. Kompakter kann man ein Mikrofon wohl nicht mehr gestalten.
Das Gehäuse besteht vollständig aus Metall und die mitgelieferte Klemme aus Kunststoff. Das Einsetzen in die Halterung bedarf zwar etwas Kraftaufwand, dafür sitzt das Mikrofon anschließend bombenfest. Dennoch muss man hier anmerken, dass das mehrmalige hinausnehmen und wieder hineingeben, sicherlich den ein oder anderen Kratzer am haptisch angenehmen Gehäuse hinterlassen werden. Auf der Rückseite des Mikrofons findet sich der USB- sowie der Aux-Anschluss. Mitgeliefert wurde auch ein Windscreen, welcher unangenehme Windgeräusche bei Outdoor-Aufnahmen verhindern soll. Das Aufstecken und Aufschrauben auf das Stativ geht spielend leicht und man ist sogar noch einmal um einen ticken schneller einsatzbereit, wie man es bereits beim MV7 ist. Vor allem durch die Größe kann sich das MV88+ einen Vorsprung zu seinen Konkurrenten sichern. Ob es da auch mit dem Sound mithalten kann, sehen wir uns etwas weiter unten an.
OHNE SOFTWARE NUR HALB SO GENIAL
Wie etwas weiter oben bereits erwähnt, gibt es zwei verschiedene Apps mit denen man das MV88+ ansteuern und verwenden sollte. Dies ist zum einen die ShurePlus MOTIV Sound App und zum anderen die ShurePlus MOTIV Video App. Wer jetzt einfach eins und eins zusammenzählt wird erkennen, dass die erste App für Tonaufnahmen und die zweite App für Videoaufnahmen gedacht ist. So weit so gut. ShurePlus MOTIV gibt es zudem auch auf dem Computer und funktioniert da ganz ähnlich wie bei dem MV7, welches wir bereits bewertet haben und weicht nicht viel von der Bedienung und von dem Funktionsumfang von dem in der App ab. Aber alles der Reihe nach, beginnen wir mit der MOTIV Sound Software/App.
Die Einstellmöglichkeiten sind im Grunde nach exakt identisch mit jenen der MV7 Software. Wir haben die Möglichkeit den Mic Gain anzupassen, dies ist insofern wichtig, wenn man das Mikrofon etwas weiter von sich weghat, weil man zum Beispiel eine Unterhaltung aufnehmen möchte. Auch der Monitor Mix, also die Balance zwischen Monitoring und PC Sound, kann mittels Regler eingestellt werden. Ebenso finden sich hier die Optionen den Limiter zu aktivieren und den Compressor von Off, über Light und Medium, bis hin zu Heavy einzustellen. Neu ist jedoch, dass man beim Equalizer keine Presettings mehr vorfindet, sondern die Einstellungen manuell vornehmen muss. Ebenso neu ist, dass man den Aufnahmewinkel anpassen kann, da es sich um ein Stereo Mikrofon handelt. Bedeutet, dass MV88+ hat sowohl die Möglichkeit links und rechts zu recorden, so wie direkt von vorne Töne durchzulassen. Damit man jetzt aber nicht die ganze Zeit das volle Spektrum aufzeichnet, was in einer lärmenden Umgebung dazu führen würde, das man sowohl seine Nachbarn, wie auch sich selbst hört, muss man dem Mikrofon mittels Winkel-Einstellung das Aufnahmespektrum festlegen. Dies ist entweder durch fünf vorhandene Presets möglich oder per Hand. Die Presets lauten Sprache (60°), Singen (75°), Flat (90°), Akustik (105°) und Band (120°). Da die ersten drei Voreinstellungen selbsterklärend sind, behandle ich nur kurz Akustik und Band. Gedacht sind diese beiden Settings für akustische Instrumente, die nicht verstärkt sind und der Bandmodus wurde für Schlagzeugaufnahmen und E-Gitarren erstellt.
Natürlich kann man auch das gesamte Spektrum per Hand einstellen, wobei man hier von 60 – 135° in folgenden Schritten Feineinstellungen vornehmen kann: 60°, 75°, 90°, 105°, 120° und 135°. Ebenso kann man die einzelnen Eingänge ansteuern und bestimmen, wie das Mic den Ton aufnehmen soll. Die Standardeinstellung lautet Stereo, hier nimmt das Mikrofon einen Großteil von vorne auf und kann mittels den oben besprochenen Winkel angepasst werden, wie stark man auf sein Ziel fokussieren möchte. Die nächste Einstellung wäre Mono Bidirectional. Hier werden nur die seitlichen Eingänge geöffnet. Wenn man dann also das Mikrofon nicht wie ein Richtmikrofon auf eine Person richtet, sondern um 90° dreht, damit jeweils die linke und die rechte Seite zu je einer von zwei Personen zeigt die sich gegenüberstehen, kann man so optimal ein Gespräch aufnehmen. Dann gibt es noch Mono-Nierencharakteristik (Cardioid), welches am empfindlichsten den Schall direkt von vorne aufnimmt und auf den Seiten weniger empfindlich. Als letztes Setting gibt es noch Raw Mid-Side, bei welchem einfach alle Eingänge ganz geöffnet werden und man quasi eine rundum Tonaufnahme erhält.
Die ShurePlus MOTIV Video App spielt ebenso alle Stücke. Man kann unter anderem die Auflösung und die FPS regeln, aber auch viele Einstellungen welche die Tonaufnahme betreffen. Das Interface ist gut durchdacht aufgebaut und wirklich einfach zu handhaben. Zwei weitere geniale Features sind unter anderem das manuelle Auswählen der zu verwendenden Kamera. Das iPhone hat drei Linsen zur Verfügung, welche alle einzeln angespielt werden können, ohne dass das iPhone selbstständig zwischen den Linsen hin und herspringt, was man bei Aufnahmen dann auch sehen kann. Ebenso hat man einen Sound-Meter, welcher direkt anzeigt, ob man zu laut oder zu leise aufnimmt. Dies erspart definitiv lästige Nachbearbeitungen!
UND WIE KLINGT ES?
Dann hören wir mal rein … Die Aufnahmen wurden nicht nachbearbeitet und mit Adobe Audtion aufgenommen.
Stereo-Presetting 60°
Stereo-Presetting 120°
Mono Bidirectional
Mono Cardioid
Raw Mid-Side