Seit Star Wars Jedi: Fallen Order sollte jedem Gamer klar sein, dass Respawn Entertainment unglaubliche Anstrengungen unternommen hat, um die Welt von Star Wars durch die Augen von Cal Kestis zu erschaffen. Vier lange Jahre später, lädt nun endlich der Nachfolger zu einer Reise in eine weit weit entfernte Galaxie, mit neuer Crew, aufgemotzten Kampfsystem und zahlreichen Sammelobjekten, die selbst einen Frachter der Baleen Klasse füllen würden. Dabei behält das Spiel seine Identität bei, erweitert sie aber auf eine Art und Weise, die wir nur selten bei Fortsetzungen zu sehen bekommen. Nach meiner mehrstündigen Reise durch das SciFi-Abenteuer wurde mir erneut klar, warum mich das Star Wars Setting immer wieder aufs Neue begeistern kann.
ZWEI WELTEN
Star Wars Jedi: Survivor ist zwischen zwei Welten gefangen. Auf der einen Seite bietet es eine gelungene Open World und erzählt eine gut durchdachte Geschichte mit geringem, aber bedeutungsvollem Einsatz, die den Spieler in Cals Realität hineinzieht. Auf der anderen Seite lassen einige Leistungsprobleme und viel zu viele kleine Ärgernisse das Spiel weit hinter seiner Größe zurück.
In narrativer Hinsicht ist das Spiel großartig. Es ist leicht, sich im Unsinn der magischen Kräfte und der albernen Lexik von Star Wars zu verlieren, aber Survivor trifft genau den Kern dessen, warum sich die Fans auch nach fast 50 Jahren immer noch Star Wars-Geschichten erzählen. Im Grunde geht es um Ausgestoßene, die im Angesicht von Mächten, die größer sind als sie selbst, versuchen, Gutes zu tun, und darum, einen Platz für sich selbst zu finden. Die Besetzung war eines der Highlights von Fallen Order, und durch die Hinzufügung des einarmigen Jedi Dagan Gera (gespielt vom teuflischen Cody Fern aus American Horror Stories) wird dieser Aspekt im Nachfolger nochmals deutlich untermauert. Leider fühlt sich die Struktur des Spiels aber immer wieder etwas chaotisch und übereilt an…
EINE LANGE REISE
…es ist jedoch schön zu sehen, dass Survivor einen sofort ins Geschehen einbezieht; es gibt keinen Grund, um den heißen Brei herumzureden, der Junge Cal ist jetzt ein vollwertiger Jedi. Survivor knüpft direkt an seinen Vorgänger an und spendiert uns einen Cal, der nicht wie in unzähligen anderen Spiele-Reihen an Amnesie leidet und somit sein Wissen beibehalten hat. Nach dem Prolog findet man sich auf Koboh wieder, einem riesigen Planeten, auf dem es von Nebenquests, Kampfszenarien, Durchquerungsmöglichkeiten und versteckten Bereichen nur so wimmelt. Man kann so viel erkunden, wie man will, bevor man seine Reise nach Jedah antritt. Dort angekommen trifft man Merrin, erledigt die wichtigsten Punkte der Handlung und fliegt dann nach Koboh zurück. Danach geht es zurück nach Jedah – dann wieder nach Koboh – dann zu Kobohs Mond und man denkt sich endlich etwas Abwechslung, nur um dann wieder in die Realität zurückgeholt zu werden, wenn man die Reise erneut nach Koboh antreten muss.
Nach einer Weile wird es nicht nur langweilig, sondern auch ein wenig lächerlich. Es ist zwar gut, dass im Laufe der Story immer wieder neue Teile von Koboh freigeschaltet werden, aber es gibt immer wieder dieselben Nebenquests, die Cals Aufmerksamkeit fordern, dieselben Knotenpunkte und immer wieder dieselben Wege zu den neuen Orten. Das ist wirklich schade, denn Koboh ist voller Leben, aber je öfter man zurückkehrt und je weniger sich die Dinge ohne direktes Zutun ändern, desto künstlicher wirkt das Ganze. Dabei hätte Koboh sämtliche Werkzeuge, um eine vollständig immersive Welt zu sein, verwendet, dieselben aber immer wieder, dass die Glaubwürdigkeit darunter zersplittert.
Die Handlung von Jedi: Survivor ist thematisch düsterer als in früheren Star Wars-Spielen, was eine großartige Wahl ist, da es der Welt mehr Bodenhaftung verleiht. Respawn Entertainment hat neben den bereits erläuterten Kritikpunkten aber auch hervorragende Arbeit geleistet, indem sie im Laufe des Spiels immer wieder großartige Wendungen und Enthüllungen in die Handlung eingebaut haben. Welche? Das müsst ihr selbst herausfinden.
EIN EIGENER WILLE
Eine der größten Schwächen (abgesehen von der schlechten Performance) von Star Wars Jedi: Survivor ist, dass das Spiel mit der Art von Videospiel-Logik zusammengehalten wird, die einfach nicht funktioniert, wenn es uns eine weite offene Welt präsentieren möchte. Cal kann an Wänden entlanglaufen, außer wenn er es nicht kann, er kann der Schwerkraft trotzen, außer wenn er es nicht kann, er kann Dinge mit seinem Geist bewegen, außer wenn er es nicht kann. Manchmal wird das Vorankommen durch die Notwendigkeit blockiert, die Geschichte voranzutreiben, aber manchmal verlangt das Spiel, dass man Dinge auf eine bestimmte Art und Weise löst, und bestraft einen, wenn man über den Tellerrand hinausschaut.
Ein Beispiel dafür, dass Survivor immer seinen Willen durchboxen möchte, ist, wenn man die Fähigkeit freischaltet, nach den seltsamen Ballons zu greifen, die einige höher gelegene Regionen der Karte schmücken. Das sind aufblasbare Vorrichtungen, von denen Cal abprallen kann, aber er kann auch die Zeit einfrieren und dadurch in jede beliebige Richtung abprallen, ohne Rücksicht auf die Physik. Im Kampf kann er die Zeit auch verlangsamen, aber nicht im gleichen Ausmaß, und die Logik dahinter wird nie erklärt. Schlimmer noch, wenn man auf Rätsel stößt, die diese Ballons erfordern, gibt es einen endlosen Generator von ihnen, falls man versagt oder sie kaputt macht. Wenn man aber versucht, zwei aneinander zu reihen, während das Spiel will, dass man es mit einem löst, zerfällt der erste Ballon, so dass man keinen Raum für Kreativität oder Querdenken hat, wie es ein Jedi tun würde.
Zumindest während der Bosskämpfe, bei denen sich Zwischensequenzen und Gameplay nahtlos vermischen, ist dieses gescriptete Gefühl sehr hilfreich. Einer der filmischsten Momente kommt durch Merrins Blinzelkräfte zustande, die sie während eines Bosskampfes auf Jedah kurz mit Cal teilen kann. Aber das wirft nur ein weiteres Problem mit den Begleitern selbst auf. Neben BD-1 werden wir auf Jedah von Merrin und auf Koboh von Bode, einem neuen Charakter mit Jet-Pack und Blasterpistolen, begleitet. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Denn sie begleiten uns nur für bestimmte Abschnitte der Geschichte und verschwinden oft mit einem Blinzeln/Jetpack, sodass man große Abschnitte allein bewältigen muss, um dann in letzter Minute für eine Zwischensequenz zurückzukehren. Dabei wären sie im Kampf wirklich hilfreich, aber ansonsten sind sie sinnlos. Denn möchte man mit ihnen einen Planeten erkunden, setzen sie sich einfach hin und wir bekommen gesagt, dass sie uns später treffen werden.
GRANDIOSES KAMPFSYSTEM
Die größte Stärke von Star Wars Jedi: Survivor ist wie bereits bei Fallen Order das Kampfsystem. Sucht man eine echte Herausforderung, bekommt man die. Möchte man es etwas ruhiger angehen, auch das ist möglich. Das Spiel lässt sich durch die passend gewählten Schwierigkeitsstufen an die jeweiligen Wünsche anpassen. Es macht einfach einen Riesenspaß, sich mit dem Lichtschwert durch die Stormtrooper zu kämpfen und diesmal fliegen uns auch die Gliedmaßen um die Ohren. Außerdem gibt es immer mehr mächtige Kräfte, die man im Kampf einsetzen kann. Grundsätzlich spielt sich Survivor wie Fallen Order nur etwas flüssiger und demnach auch besser.
Die neuen Kampfhaltungen bieten eine interessante Dimension, die aber zum Teil durch das Skillsystem zunichte gemacht wird. Da es 5 Kampfstile gibt und diese jeweils einen eigenen Skillbaum mit sich bringen, muss man sich mehr oder weniger auf 1 oder 2 spezialisieren und die Tatsache, dass man sich an einem Speicherpunkt für zwei entscheiden muss, anstatt spontan zu wechseln, schränkt die Nutzung ebenfalls ein. Dennoch machen die Kämpfe wirklich Spaß und sehen auch noch großartig aus, speziell die Bosskämpfe lassen einen tief in die Star Wars Atmosphäre eintauchen.
Aber auch das Kampfsystem hat seine Schwächen…
Cal hat blitzschnelle Reflexe für Blasterkugeln, die er gekonnt mit seinem Lichtschwert ablenken kann, braucht aber ewig, um sich zu heilen. Wenn man die Taste drückt, sagt Cal manchmal, dass er sich heilt, tut es aber nicht, was teilweise unnötig zum Tod führt. Bei einem Respawn-System, wo der Verlust der bisher gesammelten Erfahrungspunkte auf dem Spiel steht, führt das mehr oder weniger zu Frustmomente.
WEIT WEIT ENTFERNTE PERFORMANCE
Den größten Kritikpunkt erntet das Spiel aber aufgrund der Performance-Probleme. Speziell die PC Version ist stellenweise eine Katastrophe und wurde mittlerweile auch zum schlechtesten PC-Port dieses Jahres gekürt. Aber auch die Konsolenversionen sind davon betroffen, wenn auch im milderen Ausmaß. Es gibt Probleme mit seltsamen Unschärfen während der Bewegung, mit dem HDR, Stottern sogar im Performance-Modus und Bugs im gesamten Spiel. Wie wir bereits gesehen haben, arbeiten die Entwickler mit Hochdruck an Patches, die diese Fehler beseitigen sollen, ob jedoch mit Patches sämtliche Probleme aus der Welt geschafft werden können, wage ich zu bezweifeln. Ich lasse mich aber gerne überraschen!