Japano-RPG Fans brauchen sich in den letzten Jahren definitiv nicht zu beschweren. Nachdem endlich der zweite Teil des Final Fantasy 7 Remakes sowie weitere Ableger des 7ten Teils angekündigt geworden sind, aber auch Final Fantasy 16 angeblich ebenfalls in den Startlöchern steht, aus der Persona Reihe ständig etwas daherkommt und Tales Of… mit Arise letztes Jahr absolut abgeliefert hat, dürfen sich Switch-Besitzer nun über Xenoblade Chronicles 3 freuen. Ob auch hier die JRPG Fans auf ihre Kosten kommen, klären wir im Test.
UND MAL WIEDER IST EINE WELT ZU RETTEN
Die Serie bleibt sich in vielerlei Hinsicht treu, geht aber wieder neue Wege, hat das Kampfsystem überarbeitet und glänzt mit weitläufigen Arealen sowie interessanten Charakteren, bietet viel zu entdecken und so manch Überraschung.
Wir schlüpfen zunächst in die Rolle von Noah, bei dem ich mir anfangs echt nicht sicher war, zu welchem Geschlecht er/sie gehören mag. Gesicht und Frisur, aber auch das Outfit wirkten äußerst weiblich, die Snychro, die wie bei den Vorgängern wieder aus einem britishen Studio stammt, sprach aber dagegen. Da das Ganze aber 0 Thema im Spiel ist, bezweifle ich, dass man damit die queere Lebensweise unterstützen will, sondern tippe eher auf J-Pop?! Keine Ahnung, spielt auch keine Rolle, denn der gezüchtete Soldat und seine beiden Mitstreiter, der Haudrauf Lanz und die kesse Heilerin Eunie sind nur für den Krieg gezüchtet und haben die meisten ihrer Zyklen hinter sich, denn nach zehn Jahren in denen man nur für den Krieg ausgebildet wurde und diesen dann auch bestreitet, ist Schicht. Wer so lange überlebt, wird von der Herrscherin und Flötenspieler bei er sogenannten Heimkehr hinübergeschickt. Und da freuen sich alle Krieger darauf.
Was das genau bedeutet, warum die Keversier, zu denen die drei gehören und die Agnier überhaupt im Krieg sind, sowie die vorrangige Frage: Was zur hölle ist hier eigentlich los und was tue ich (als Spieler) hier eigentlich, klärt sich großteils erst später. Also schräge Japano-Story: Check!
Doch die drei sind nicht die einzigen, die irgendwann draufkommen, dass sie nicht nur diese 10 Zyklen hinterfragen müssen, tiefgründig werden und sogar darüber sinnieren, warum sind wir eigentlich hier, wo kommen wir her und wo gehen wir hin? Nein, die drei müssen nach einem einschlägigen Erlebnis auch noch mit dem Feind gemeinsame Sache machen. Genauer gesagt mit den Agnus Kriegern Mio, Sena und Taion, die sich widerwillig und gezwungenermaßen anschließen. Neben diesen sechs Charakteren, die man relativ bald alle beisammen hat, jeden ab einem bestimmten Punkt steuern kann und im Kampf einsetzt, begleiten noch zwei sogenannte Nopons, die „nur“ mit Rat und Tat außerhalb der Kämpfe zur Seite stehen, die Truppe. Fans der Serie wissen von den kugelrunden, knuffigen Technikern und Köchen.
Das ungleiche Sextett und ihre flauschigen Sidekicks müssen im Laufe der Geschichte erst lernen sich zu vertrauen und merken immer mehr, dass sie nur Spielball eines sinnlosen Krieges sind und diesen nur gemeinsam beenden können!
EIN DOKTOR IN KAMPFOLOGIE
Ok, sechs Jahr studieren muss man wohl für das Kampfsystem von XC3 dann doch nicht, doch etwas unnötig komplex erscheint dieses zunächst schon, zumal man auch nach gut zehn Stunden noch neue Facetten kennenlernen darf. Beginnen tut das Ganze zunächst recht lahm, denn wie in MMO’s á la World Of Warcraft haut der gesteuerte Charakter automatisch zu. Kurz darauf bekommen wir aber unsere ersten drei Techniken, die sich ebenso wie in MMOs mit Cooldowns immer wieder aufladen, aber gewisse Taktiken erfordern. So sind manche Schläge effektiver, wenn man sie von hinten oder seitlich ausführt.
Im Verlauf kommen dann neben Combos auch die Rollen dazu: Tank, Heiler, Damage Dealer, die zunächst klar verteilt sind, im späteren Verlauf aber dann wild durchgemischt werden können. Verhält man sich seiner Rolle entsprechend und nutzt die Techniken effektiv, lädt sich langsam eine Spezialfähigkeit auf und die haut nochmal etwas meh rein. Es folgen später auch Fusions-Techniken und weiterer Klimbim. Wirklich viel Einfluss hat man aber gefühlt trotzdem nicht auf dem Schlachtfeld. Man muss einfach schauen, dass man seinen Charakter stets so effektiv wie möglich steuert, denn Items oder irgendwelche Notfall-Taktiken wenn’s eng wird, gibt es eigentlich nicht. Da hilft das Durchwechseln der Charaktere auch nicht wirklich.
Also kurz gesagt: Man achtet auf eine ausgewogene Rollenverteilung, spielt seinen gewählten Charakter (meist macht man den Angreifer, da das am meisten Spaß macht) möglichst effektiv, gibt hier und da Gruppenbefehle (Sammeln, Angriffe auf einen Feind konzentrieren, Verteilen, usw.) und wechselt nur hier und da mal hin und her. Außerdem sollte man das Level der Gegner vorher im Auge behalten und abschätzen, ob man diesem oder sogar diversen Gruppen gewachsen ist. Da gibt es zusätzlich Symbole, die Elite Gegner (dementsprechend stärker, aber keine große Herausforderung), Unique (viel schwerer, aber lohnend was XP und Items betrifft und sogar wiederholbar) oder Glücks-Gegner, die genauso stark sind wie die „normale“ Version davon, aber dafür auch bessere Belohnungen abwerfen, anzeigen. Außerdem kann es sein, dass in einem Areal gleich zu Beginn einem ein LVL80 Gegner über den Weg läuft und der einem aber ganz schnell mal das Licht ausknippst. Aber wie man es von Nintendo und seinen Partnern gewohnt ist, wird man nicht wirklich schwer bestraft für ein Game-Over. Man spawnt am letzten Speicherpunkt, der selten weit weg ist und hat keinen Verlust bzw. nimmt die bis dahin gewonnen Belohnungen einfach mit.
KRIEG? WELT RETTEN? ACH, ICH PFLÜCK MAL EIN PAAR BLUMEN
Wie so oft, gibt es auch hier massig Nebenbeschäftigungen und da kann man sich schon mal drin verlieren. Neben den Unique Gegnern, die Boss-Level Herausforderungen darstellen, kann man noch allerlei Loot sammeln, den wiederum verkauft man (teils automatisch) oder gibt ihn in sogenannten Kolonien ab, um dort beliebter zu werden und dadurch bessere Ausrüstung kaufen zu können. Außerdem können die beiden Hauptprotagonisten Noah und Mio mit Flötenspiel gefallene Kameraden ins Jenseits schicken, was auch Boni bringt. Nebenquests gibt es sowieso allerlei. Manche sind schneller erledigt, andere erstrecken sich über das ganze Spiel.
Da es neben schlauchigen Dungeons aber wirklich vorrangig kleinere, offene Gebiete gibt, läuft man dort gerne rum um Kisten oder andere Geheimnisse zu finden. Bei Lagerfeuern kann man rasten und zusätzlich noch weiter leveln, altes Kriegsgerät will über Aether wieder aktiviert werden und die Nopon-Händler wollen, dass man mal eben im Vorbeigehen ein Handelsregister erstellt und ihnen tonnenweise Steine nachträgt, was die Helden aber natürlich ohne jammern machen.
GENUG JAPANO-GEDÖNS?
Aber klar! Hier ein Kurzauszug:
- Wie für ein J-RPG üblich hauen die Charaktere alle 2 Sekunden im Kampf dieselben nervigen One-Liner Sprüche raus.
- Schräge Story mit spirituellen Frage? Yep!
- Merkwürdige, aber knuffige Viecher, die Sprechen wie Yoda? Klar, mit den Nopons sowieso in der Serie!
- Flügel, die aus weiblichen Köpfen wachsen? Aber klar doch: Eunie!
- Blaue Haare, die aussehen als würden sie brennen? Danke Sena!
- Anders-Hautfarbige? Mit verschiedenen Grauschattierungen hilft uns da Lanz weiter.
- Schwerter sind die beste Waffe, obwohl es allerlei Zauber und Schusswaffen gibt? Wo kämen wir da hin, wenn nicht!
- Cosplay-würdig. Da ginge mehr, aber ja!
- Und zu guter Letzt: Die Charaktere übernehmen beim Wechseln der Klasse nicht nur die Waffe, des initialen Charakters, nein sie tauschen auch die Kleider?! Wissen die Götter, warum.
- Viel nackte Haut bei Damen. Aber hallo! Wobei man das zum Vorgänger, in dem man ja von riesigen Brüsten nur so bombardiert wurde, geschmackvoll zurück geschraubt hat.
DIE TECHNIK
Wo zur Hölle bleibt diese ominöse Switch Pro?! Xenoblade Chronicles 3 holt mit seiner wunderschönen und abwechslungsreichen Welt sowie den größeren Arealen möglichst alles aus der Switch raus, stößt aber mit pixeligen Texturen und kleineren Slowdowns an die Grenzen. Mag zwar sein, dass vor allem die Kämpfe im Handheld-Modus etwas unübersichtlich sind, aber hübsch ist das so oder so, auch am TV. Dennoch merkt man der Switch mal wieder an, dass da einfach mehr drin gewesen wäre. Man stelle sich das Spiel hochauflösend und detaillierter auf der PS5 vor, was wäre das dann wohl? Keine matschigen Texturen und aufploppende Gegner im Hintergrund wären natürlich schön gewesen, denn dann hätten wir mindestens ein Tales Of Arise, das halt um einen guten Tick besser aussieht, aber auch nur, weil es die Technik möglich macht. Man kann nur hoffen, dass Nintendo mal ein Remaster rausbringt, wenn sie denn endlich mal ordentliche Hardware nachliefern. Aber das ist jammern auf hohem Niveau.
Switch-Spieler wissen sowieso von der Einschränkung, aber dem Vorteil, das Spiel überall spielen zu können. Vor allem bei einem so umfangreichen Spiel. So sollen nur die Zwischensequenzen der Mainstory auf gut 14 Stunden kommen, konzentriert man sich vorrangig auf die Hauptstory muss man schon 50 Stunden rechnen und Komplettisten sollten gut 100 Stunden freischaufeln, um alles gesehen, erlebt und geschafft zu haben.
XC3 ist nur zu großen Teilen synchronisiert und wird in manchen Gesprächen durch Textblasen gelöst. Die englische Synchronisation ist solide. Fans vom Japanischen kommen aber auch auf ihre Kosten. Das Spiel ist aber abgesehen von der Synchro komplett in Deutsch lokalisiert und somit mit überaus soliden Untertiteln ausgestattet.
WAS IST NEU?
Im Vorgänger nervte gewaltig die Karte. Irgendwie wusste man, wo man hinsollte, aber der Weg war nicht klar, weshalb man oft kreuz und quer rannte um die teils mehrstöckigen Gebiete richtig zu erkunden. Da hat man nun mit einem aktivierbaren Navi Abhilfe geschaffen. Im Kampf wird die Aggro über Linien angezeigt und auch sonst ist Xenoblade 3 etwas zugänglicher, wenn man vom Kampfsystem absieht. Aber auch das wird einem Schritt für Schritt vorgebetet und kann durch Tutorials gelernt und perfektioniert werden.
Außerdem ist die Story erwachsener, weniger sexistisch und recht tiefgründig, denn Fragen über Leben, Sinn und Tod werden hier, wie bereits erwähnt, recht ernst genommen.