Lange Zeit schien es, als würde die Ghost Warrior Reihe, mit schwammigen Kampagnen, einer dummen KI und lieblosem Gameplay, anderen FPS-Erfolgen hinterherlaufen. Doch dann erfanden CI Games mit Sniper Ghost Warrior Contracts die Serie neu und schufen eine missionsbasierte Stealth-Simulation mit Fokus auf riesige Karten, welche in unserem Test durchaus überzeugen konnte. Mit Sniper Ghost Warrior Contracts 2 steht nun der sechste Ableger der Serie zum Abschuss frei und führt uns diesmal in den Nahen Osten, wo wir es mit einer rachsüchtigen Witwe zu tun bekommen.
NIEDER MIT DEM DIKTATOR
Wie bereits beim Vorgänger ist die Handlung auch in Sniper Ghost Warrior Contracts 2 nicht revolutionär und vollgepackt mit Stereotypen sowie haufenweise Klischees. Wir befinden uns in Kuamar, das irgendwo zwischen dem Libanon und Syrien liegt und seit über zwanzig Jahren von einem skrupellosen Diktator regiert wird. Nun droht ein Krieg, nachdem der besagte Diktator ermordet wurde und seine Witwe, die nun die Macht übernommen hat, aus Rache einen gewaltsamen Angriff auf eine nahe gelegene Region plant.
Das dies zu Spannungen führt, dürfte wohl jedem klar sein und genau an dieser Stelle kommen wir ins Spiel. Wir schlüpfen in die Rolle von Raven, einem sehr erfahrenen Scharfschützen, und es ist unsere Aufgabe, diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen.
FINGER AM ABZUG
Still auf einer Klippe liegend, irgendwo im Nahen Osten, scannen wir mit dem Fernglas die Gegend um schließlich unser Ziel zu finden. Mit einem Scharfschützengewehr im Anschlag, warten wir geduldig auf die richtige Gelegenheit, um den tödlichen Schuss abgeben zu können. Nun endlich ist sie gekommen, wir halten den Atem an und betätigen den Abzug. Eindrucksvoll zeigt uns die Bullet Cam wie die Kugel unser Ziel niederstreckt und die Mission dadurch erfolgreich abgeschlossen ist.
Diese Gänsehaut Momente der Serie kennen und lieben wir und es ist auf eine Art und Weise immer wieder aufregend, wie eindrucksvoll die Splatter Erlebnisse in Form der Bullet Cam sind. Aber auch das Stealth Gameplay, wo wir uns unbemerkt an die Feinde heranschleichen und diese dann mit Nahkampf-Angriffen den Garaus machen, tragen immer wieder zu einer gelungenen Atmosphäre bei.
Es hat einfach einen gewissen Charme, zu versuchen, nicht gesehen zu werden, sich vorwärts zu schleichen und auf die richtige Gelegenheit zu warten, um schließlich seine Belohnung in Form eines perfekten Kopfschusses zu bekommen. Das ist auch der Punkt, an dem Sniper Ghost Warrior Contracts 2 am meisten glänzt, es macht wahnsinnig viel Spaß, auf unsere Widersacher zu ballern und das Gefühl der Waffen ist erstaunlich gut gelungen, besonders das Scharfschützengewehr, das sich schwer und robust anfühlt, wie es eben sein sollte.
SCHÖNE SPIELWELT MIT STOLPERSTEINEN
Wie bereits der Vorgänger legt auch Sniper Ghost Warrior Contracts 2 den Fokus auf riesige Karten. Davon stehen uns während der Kampagne insgesamt fünf zur Verfügung, auf denen wir uns frei bewegen und sämtliche Aufgaben in der Reihenfolge angehen dürfen, wie man es für richtig hält. Das ist auch gut so, denn so bekommt man die gewünschte Freiheit und den nötigen Handlungsspielraum um Neues ausprobieren zu können, wenn man mal nicht weiterkommt. In jeder Region gibt es zusätzlich zu den Hauptzielen (Offiziere etc.) mehrere Zwischenziele, die alles sein können, vom Stören von Satellitensignalen bis zum Übertragen von Viren in irgendwelche Computersysteme des Gegners.
Auch wenn das Snipen bei weitem der spaßigste Teil des Spiels ist, ist er an anderer Stelle auch der nervigste. Denn meistens sind unsere Hauptziele über 1000 Meter entfernt und man hat mehr oder weniger nur einen Versuch das Ziel zu treffen. Hat man es verfehlt, beginnt es zu flüchten und die Mission kann nicht abgeschlossen werden. Das ist grundsätzlich in Ordnung, aber verlässt man den Bereich und kehrt zurück, findet man wieder exakt die gleiche Ausgangsposition wie zu Beginn vor. Das trübt die Immersion gewaltig und somit verliert die Open World Mechanik an Bedeutung.
Hier hätte man direkt bei einzelnen Missionen bleiben können, da das Gameplay sehr schnell in wildes hin und her Gelaufe endet. Zusätzlich gesellt sich eine weitere Spaßbremse in Form von „Roboter-Gegnern“ hinzu. Hat man nämlich einen Schuss verfehlt, oder den falschen Gegner ausgeschaltet und sorgt somit für Aufsehen, wissen unsere Widersacher sofort aus welcher Richtung der Schuss kam und beginnen unsere Stellung aus über 1000 Metern mit Gewehren und MG´s zu beschiessen. Bei höherem Schwierigkeitsgrad kann das schon mal direkt tödlich enden und hat meiner Meinung nach wenig mit Realismus zu tun. Speziell dann, wenn man mal selbst ohne Zielfernrohr auf weiter entfernte Ziele geschossen hat. Nun ja,… ist ja nur ein Spiel!
Leider war es das noch nicht mit den Kritikpunkten, denn auch das sonst gelungene Stealth Gameplay wird von einer unausgewogenen KI immer wieder in den Schatten gestellt. Mal schleichen wir gut einen Meter neben den Gegnern vorbei ohne dabei erkannt zu werden, mal sehen uns die Gegner bereits aus der Ferne, obwohl wir ruhig liegend im hohem Gras verweilen. Das drückt die Immersion nicht nur weiter nach unten, sondern sorgt auch für enormes Frustpotential, zumal die Speicherpunkte (es gibt keine manuelle Speicherfunktion) sehr fragwürdig platziert wurden. So kommt es immer wieder vor, das wir einen kompletten Abschnitt komplett von Vorne beginnen müssen, wenn uns die KI mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.
GADGETS, SKILLS & WAFFEN
Gelungen hingegen sind die zahlreichen Gadget und Modifikationen die wir uns mit den erhaltenen Zahlungen kaufen können. Diese reichen von Giftfallen bis hin zu einer Drohne, mit der wir nicht nur Feinde markieren, sondern auch direkt ausschalten können. Auch bei den Waffenmodifikationen haben CI Games einen gelungen Mix implementiert und die freischaltbaren Skills runden das Spielgeschehen stimmig ab. Das führt sogar so weit, das sich aufgrund der neuen Skills, Gadgets und Modifikationen neue Wege zum absolvieren einer Mission ergeben. Klasse!
BULLET CAM!!!
In optischer Hinsicht setzt Sniper Ghost Warrior Contracts 2 zwar keine neuen Maßstäbe, präsentiert sich aber, bis auf ein paar Clippingfehler und schwammigen Texturen (Nahansicht), durchaus gelungen. Die Landschaften bieten einen guten Mix aus Wüste, Wäldern und Co. und wurden schön in Szene gesetzt. Auch das Sounddesign ist passend, die Waffen klingen knackig und herabfallende Steine (leider nur akustisch) sorgen für die nötige Atmosphäre. Abgerundet wird das Spielgeschehen mit einer stimmigen Musikuntermalung und einer ordentlichen Sprachausgabe, welche wir in Form von Funksprüchen spendiert bekommen.
Das Highlight ist aber wie zuvor vermutet die grandiose Bullet Cam, die unseren Schuss in Zeitlupe glaubwürdig in Szene setzt, ohne dabei auf Gewalt zu verzichten. Begleitet mit knackigen Soundeffekten und einer astreinen Präsentation, kann man sich an diesem Feature kaum sattsehen! Mehr davon!