Ihr wart vom alternden Indiana Jones und seinen Eskapaden auf der großen Leinwand nicht begeistert und sehnt euch zurück in die guten alten 80er? Dann habt ihr mit Indiana Jones und der Große Kreis nun die Chance euch selbst den Hut aufzusetzen, die Peitsche zu ölen und euren One-Liner zu üben. Mit dem neuen Abenteuer von Henry „Indiana“ Jones Junior, schickt euch MachineGames zurück zum Ursprung der Serie und bietet ein Spielerlebnis zwischen klassischem Ego-Adventure und Abenteuer-Games wie Uncharted oder Tomb Raider. Und Indy macht dabei eine verdammt gute Figur.
Ein alter Held in neuer Größe
Man muss nur die legendäre Titelmusik hören („Di-di-di, di-di-diii“), und schon fühlt man sich in die Kindheit versetzt. Ein uraltes Artefakt geborgen, etwaige Widersacher erledigt, mit einem Peitschenschlag über eine Schlucht – und plötzlich Stille. Ein hochgewachsener Brite, gerade noch mit dem Leben davongekommen, putzt sich lässig Staub von der Lederjacke, schnappt seinen Hut vom Boden, streicht beim Aufsetzen über den Rand und lässt mit schiefem Lächeln einen coolen Spruch los. Ach Indy, wie haben wir dich vermisst! Mit dem neuen Abenteuer für heimische Rechner und Konsolen Indiana Jones & der Große Kreis schickt sich Harrison Fords Alter Ego an, zu neuer alter Stärke zurückzufinden. Da verzeiht man ihm fast die beiden eher ignorierbaren Abenteuer aus Hollywood.
Die Geschichte von Indy und der Videospielwelt geht weit zurück und hat schon früh gezeigt, dass Spiele zu Filmen auch funktionieren können – wie unter anderem der Klassiker Indiana Jones & der Letzte Kreuzzug bereits in den 80ern bewies. Zuletzt sah man den Geologen und Geschichtslehrer allerdings in Klötzchenform in Lego Indiana Jones. Mittlerweile sind 15 Jahre ins Land gezogen, bis sich der Herr wieder aus dem Gaming Ruhestand begeben durfte. MachineGames, bekannt für ihre Wolfenstein-Reihe und damit bestens mit Nazis und weiteren Schurken vertraut, haben hier ein Abenteuer geschaffen, das dem Helden gerecht wird.
In der Ruhe liegt die Kraft
Klar, Fans der Serie erwarten vielleicht ein ähnlich actiongeladenes Abenteuer wie bei Nathan Drake in Uncharted oder Lara Croft in ihren letzten Teilen. Doch MachineGames geht die Sache etwas anders an: Sie verfrachteten das Adventure in die Ego-Perspektive und setzen vorrangig auf die Suche nach Schätzen, das Lösen von Rätseln und das Sammeln von Informationen und Gegenständen. Der Kampf fällt dabei – trotz Revolver und großer Schlagkraft – eher unspektakulär aus. Stattdessen laden die Story und die rund um den Globus verteilten Areale zum Eintauchen in die Welt von Dr. Jones ein.
Trotz Ego-Perspektive sehen wir Indy außerhalb der Cutscenes zumindest von hinten, denn in Kletterpassagen oder beim Schwingen mit der Peitsche fährt die Kamera kurzzeitig hinter den Helden. Das ist angenehm, da der Abenteurer gerne mal andere Outfits anzieht, um nicht aufzufallen. Das Ganze läuft aber behäbiger und realistischer ab als bei den erwähnten Genrekollegen. Da schnauft und keucht der Jones Junior schon mal. Außerdem kann ihm in der Kletterpartie ebenso wie im Nahkampf die Puste ausgehen. Wer nun von den Wolfenstein-Machern einen Ego-Shooter erwartet, wird enttäuscht, denn die Knarre kommt nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.
Das Spiel setzt generell den Fokus auf Schatzsuche, Rätsel, Erkunden und Schleichen. Aber so manche heftigere Prügelei mit mehreren Gegnern kann man durchaus überstehen, da Indy nicht nur gut austeilt, sondern auch wunderbar parieren kann oder die Peitsche einsetzen, denn in beiden Fällen, taumeln die bösen Schergen Hitlers.
Ein neues Abenteuer beginnt
Mag sein, dass „… und der Große Kreis“ nicht spektakulär klingt, doch die Geschichte lädt zum Entdecken ein. Natürlich trifft Indiana auf klassische Schurken, wie einen riesigen Herren, dem man nach dem Tutorial begegnet. Dieses Tutorial ruft sofort Gänsehaut hervor, denn hier darf man kurz den ersten Kinofilm nachspielen: Indy holt sich nach dem Lösen einiger Rätsel den goldenen Götzen, doch die Höhle bricht ein. Eine Flucht beginnt – ein Wettlauf mit der Zeit, denn eine riesige Kugel verfolgt Indy. Doch knapp kann er noch entkommen, rettet seinen Hut und … plötzlich hat der Albtraum ein Ende.
Wir erwachen in der Schule, an der Dr. Jones unterrichtet. Etwas ist passiert: Alles ist verwüstet. Kurz darauf trifft Indy auf eine düstere, aber riesige Gestalt namens Locus, die extrem mysteriös wirkt. Nachdem Indy den Kampf haushoch verliert, erwacht er und merkt gemeinsam mit Freund Marcus Brody (einst verkörpert durch Denholm Elliott), dass etwas fehlt. Nach einigen Hinweisen, die in dem Gebäude versteckt sind, wird gleich der Koffer gepackt, und es geht mit dem Flieger zur ersten Location nach Europa – auf weitere Abenteuer und zur Jagd nach Locus.
Auf seinen Reisen bekommt er es, wie fast immer, mit den Nazis zu tun. Hauptwidersacher ist diesmal der skrupellose SS-Sturmbandführer Emmerich Voss, der einiges im Schilde führt – mehr soll hier jedoch nicht gespoilert werden. Neben geliebten Charakteren und den erwähnten Schurken, darf man auch neue Verbündete begrüßen, wie Nonne Gina, an der Indy seinen Charme spielen lässt, sich aber ebenfalls von ihr einwickeln, denn die vermeintlich fromme Schwester ist ebenfalls auf einer Mission, die zufällig die von Dr. Jones kreuzt.
Skillen mal anders
Neben klassischer Währung sammelt Indy auch Erfahrungspunkte, indem er interessante Side-Quests abschließt, Sammelgegenstände aufhebt, Sehenswürdigkeiten fotografiert oder die Story vorantreibt. Diese Punkte lassen sich durch gefundene Bücher in Verbesserungen wie mehr Ausdauer, mehr Leben oder mehr Schaden investieren. Dadurch wird das Sammeln von Loot und Gegenständen zu einer sinnvollen Beschäftigung. Geld, das Indy findet (oder stiehlt), kann gegen Reiseführer eingetauscht werden, die wiederum Sammelgegenstände und wichtige Stellen auf der Karte markieren. So spart man sich das frustrierende Herumsuchen.
Die Technik: Indy läuft zu Höchstformen auf
Henry Jones Jr. zeigt uns, dass ein Abenteuer im Stil der geliebten-Trilogie durchaus möglich ist. Der sympathische Held ist perfekt umgesetzt, auch wenn Stammsprecher Wolfgang Pampel nicht zu hören ist. Stattdessen wurde mit Florian Clyde Lüdtke ein hervorragender Ersatz gefunden. Im englischen Original überzeugt Gaming-Legende Troy Baker (The Last of Us, Uncharted, Death Stranding).
Optisch überzeugen vor allem die Umgebungen: Der Vatikanstaat mit der Engelsburg und der Sixtinischen Kapelle ist detailliert und wunderschön gestaltet. Die Charaktere sind hingegen durchwachsen: Während wichtige Figuren wie Marcus Brody oder die Bösewichte detailliert aussehen, wirken NPCs und Gegner etwas leblos – ähnlich wie in Assassin’s Creed. Der Original-Soundtrack tut natürlich sein Übriges zur Atmosphäre und lässt einen sofort in Nostalgie versinken.