Ganz ehrlich, bisher machte ich um die abgefahrene Japano-RPG-Reihe Yakuza eher einen Bogen. Einerseits landete das Game einfach nie so richtig in meiner Bubble, andererseits war ich vom Stil und den teilweise über hundert Stunden Spielzeit, wenn man sich auch den unzähligen Nebenbeschäftigungen hingibt, etwas abgeschreckt. Da nun Like a Dragon: Pirate Yakuza in Hawaii etwas kompakter ausgefallen ist und mich die Reihe irgendwie schon immer neugierig gemacht hat, wagte ich mich nun an den neuesten Teil und hoffte, dass ein großartiges Vorwissen nicht nötig ist.
Majima ohne Gedächtnis, dafür mit Augenklappe
Wie man weiß, wird in der Reihe gern mal der spielbare Charakter ausgetauscht, und so erwischt es dieses Mal Goro Majima, der einst als Antagonist in der Serie auftauchte, sich aber zu einem Hauptcharakter entwickelte. Nun darf er hier als Protagonist durch das Spiel führen, was ja passend ist, denn der Mann hat bereits eine Augenklappe und passt somit auch gleich zum Piraten-Setting. Er wacht jedoch im heutigen Hawaii ohne Erinnerungen auf. Nicht gerade kreativ, aber gut. Hilfe bekommt er schnell durch den ruppigen Barkeeper Jason und dessen Familie sowie weiteren Einwohnern der kleinen Insel.

Warum nun auf Hawaii ständig altertümlich aussehende Piraten herumlaufen, kann ich nicht beantworten. Es wird aber im Spiel auch nicht hinterfragt, und so klemmt sich Majima nach wenigen Spielstunden samt kleiner Crew hinter das Steuerrad seines erbeuteten Piratenschiffs, um andere Yakuza zu finden, seine Erinnerungen wiederzuerlangen und sich natürlich zum größten Piraten Hawaiis aufzuschwingen. Die Story ist dabei wie immer abgefahren, aber eigentlich über lange Strecken oftmals ein bisschen egal. Dafür lebt das Spiel von anderen Mechaniken.
Yakuza: Rummelpark oder Spiel?
Ich muss zugeben, die ersten Spielstunden waren mühsam, langweilig und zäh. Das liegt daran, dass es gut fünf bis sechs Stunden dauert, bis man überhaupt mal ein paar Spielmechaniken freigespielt hat. Dafür gibt es aber auch nach über fünfzehn Stunden noch Überraschungen. Hat man dann endlich mit Honolulu eine größere Open World erreicht und dort Nebenquests und allerlei Sammelzeug freigeschaltet, beginnt aber schon die Suchtspirale.
Fangen wir mit den Haupt- und Nebenquests an: Diese leben von ihrer (Situations-)Komik, können aber auch wichtige Themen unserer Gesellschaft aufgreifen. Die Dialoge sind amüsant, interessant und überraschend. Jedoch arten viele dieser Gespräche aus, und da es in den Nebenquests keine Sprachausgabe gibt, wird es schon zu Beginn recht mühsam. Überspringt man dann aus Ungeduld mal einen Dialog komplett, kann es passieren, dass man wirklich wichtige Informationen verpasst, was schade ist. Dafür gibt es stets lohnende Belohnungen, wie zum Beispiel neue Crewmitglieder für das Schiff, Kochmaterialien oder allerlei kosmetische Verbesserungen für Majimas Outfit, das Schiff oder auch den kleinen Baby-Tiger Goro, der einen stets begleitet.
Eine rappelvolle Open World
Gerade in Honolulu kann man sich zu Beginn ewig aufhalten. Nachdem man in der Hauptstory so weit ist, dass man Geld und Crewmitglieder braucht, um sein Schiff fit für das große Kolosseum zu machen, wird die Karte nur so zugekleistert. Da wären eben verschiedene Leute zum Anheuern. Egal ob Pirat, Bauarbeiter, Bikini-Strandschönheit oder der eine oder andere Aktenkofferträger – eigentlich kann man hier jede Art von Bürger anwerben, jedoch wollen die immer eine Gegenleistung. Entweder muss eine kurze Quest erledigt, ein Item überreicht, ein Kampf ausgefochten oder einfach in irgendeinem Belang ein Rang oder Level erreicht werden. So kann man manche der potenziellen Seeräuber erst im späteren Verlauf anheuern. Dazu kommt, dass es überall Kopfgelder in der Stadt abzuholen gibt, indem man die Gesuchten einfach verprügelt. Verschiedene Side-Quests verlangen Sammelzeug, und Loot steht überall herum.
Das mit dem Loot ist aber etwas merkwürdig: Überall stehen Koffer herum, die als Loot dienen. Darin kann man Kochzeug, Gegenstände für die Pfandleihe oder auch einfach irgendeinen Müll finden. Am Strand ist das gleiche Material in Sandhaufen versteckt, und auf See überfährt man einfach herumtreibendes Holz und Kisten. Dazu gibt es aber auch immer wieder Komponenten, um das Schiff aufzurüsten.

Auch wenn das Spiel noch so viel mehr an Nebenbeschäftigungen zu bieten hat, erspare ich euch Details und zähle auf, was noch so möglich ist: Billard, Darts, Karaoke, Baseball (aber mit Kanonenkugeln und explosiven Fässern), allerlei alte Sega-Spiele oder zumindest solche, die damals so funktioniert hätten, Rummelplatz-Automaten, Golf, Poker, Black Jack und vieles mehr. Vieles davon ist aber alles andere als realistisch dargestellt. Da es stets coole Belohnungen oder viel Kohle gibt, können da schon mal Stunden im mehrstelligen Bereich reinfließen. Denn wer will nicht einen Roboter auf seinem Schiff oder einfach saucoole Outfits, die man danach im Punkteshop abholen kann? Ich bin da auf jeden Fall Opfer geworden und ziehe Majima auch regelmäßig um. Und wem das alles zu aufwendig ist, der cruist mit seinem Segway durch die Stadt und winkt allerlei Leuten zu, um in seinem Handy bis zu 200 „Facebook“-Freunde zu sammeln.
Yakuza bei Tag, Pirat bei Nacht
Ganz so ist es nicht, denn der Tag-Nacht-Wechsel hat damit nichts zu tun. Ist Majima jedoch in Honolulu unterwegs, dann kleidet er sich im Hawaii-Hemd, im Anzug oder auch anders sommerlich. Als Pirat wiederum gibt es allerlei andere Möglichkeiten. Vom klassischen Freibeuter-Outfit bis hin zum abgefahrenen Mad-Max-Seefahrer ist da alles möglich und wild kombinierbar. Das hat aber auch einen spielerischen Hintergrund, da die beiden Styles auch die Kampfstile von Majima darstellen.

Als Pirat schwingt er zwei Säbel, kann eine Pistole abfeuern und auch einen Enterhaken verwenden, während er als Yakuza mit Fäusten, Messer und ganz anderen Special Moves agiert. Mit genug aufgeladener Energie der Heat-Leiste kann er dann auch noch im wüsten Geprügel, das etwas an einen Mix aus Assassin’s Creed, God of War und Final Fantasy VII: Rebirth erinnert, sich jedoch nie so genau und befriedigend anfühlt, einen verheerenden Special Move ausführen.
Die Technik
Technisch mag Like a Dragon: Hawaii etwas hinter anderen Open-World-AAA-Titeln hinterherhinken. Die Stadt ist dafür schön gestaltet, sie wirkt lebendig und real, und es laufen kaum NPC-Klone herum. Liebe zum Detail gibt es auch genug. Auf See gibt es schöne Lichteffekte, aber die Inseln und das Meer sind dann doch etwas detailarm, und warum man statt eines schönen optischen Effekts für den Wind auf Checkpoint-Kreise aus den 90ern zurückgreifen musste, ist mir nicht ganz klar. Die Musik ist passend, die Animationen sind auch nicht immer auf dem neuesten Stand, aber das ist dank des Spielspaßes durchaus vernachlässigbar und auch Geschmackssache.