Es gibt Spiele, die uns immer wieder einfangen. Spiele, die unsere Zeit verschlingen, unsere Nächte füllen und uns am nächsten Morgen völlig müde zur Arbeit erscheinen lassen. Civilization ist genau so ein Spiel. Seit mehr als 30 Jahren steht diese Reihe für den unnachgiebigen Sog des Aufbaus und Eroberns. Du möchtest nur „mal eben“ einen neuen Bezirk bauen, und plötzlich ist es 3 Uhr morgens. Mit Civilization 7 wagt Entwickler Firaxis jetzt eine mutige Generalüberholung. Alte Mechaniken wurden aufgemöbelt, neue Systeme hinzugefügt, und das Konzept der Zivilisation an sich wurde auf den Kopf gestellt. Klingt aufregend? Keine Sorge, wir haben uns stundenlang geopfert, um herauszufinden, ob Firaxis damit das Strategiegenre revolutioniert – oder vielleicht nur ein komplexeres Chaos geschaffen hat.
Anführer trifft Nation: Die neue Bewegungsfreiheit
Eine der größten Neuerungen in Civilization 7 ist die Trennung von Anführern und Zivilisationen. Früher waren diese stets untrennbar miteinander verbunden – Gandhi stand symbolisch für Indien, Cleopatra für Ägypten. Doch in Civ 7 kannst du erstmalig frei kombinieren. Harriet Tubman könnte die Griechen anführen, während Machiavelli Persien regiert. Historische Authentizität? Manchmal Fehlanzeige. Dafür eröffnet dieses System zahlreiche strategische Möglichkeiten.
![Civilization 7: Screenshot](https://pixelcritics.com/wp-content/uploads/2025/02/Civ_7_Screenshot_5-1024x576.webp)
Die Boni eines Anführers kombinieren sich mit denen eines bestimmten Volkes, und du kannst dir gezielt eine perfekte Mischung für deinen Spielstil zusammenstellen. Militärfan? Wähle einen aggressiven Anführer wie Dschingis Khan mit der stark defensiven Zivilisation der Griechen. Diplomatie-Liebhaber? Vielleicht schließt du dich mit dem kulturellen Einfluss der Franzosen zusammen. Zugegeben, das Ganze wirkt manchmal skurril, aber es bringt frischen Wind ins Spiel.
Ein Spiel, drei Zeitalter: Das neue Age-System erklärt
Civilization 7 verabschiedet sich von der klassischen Idee, dass eine Zivilisation einfach alle Zeitalter durchläuft und schließlich in einer Art „Ewigkeitszustand“ endet. Stattdessen ist das Gameplay jetzt in drei deutlich getrennte Zeitalter aufgeteilt: die Antike, die Entdeckung und die Moderne. Jedes dieser Zeitalter stellt ein eigenes „Spiel“ dar, mit separaten Zielen, Mechaniken und Entwicklungspfaden, den sogenannten Legacy Paths. Diese orientieren sich grob an den altbekannten Siegbedingungen: militärisch, kulturell, wirtschaftlich und wissenschaftlich.
Was heißt das konkret? Wenn du beispielsweise in der Antike den wirtschaftlichen Legacy Path abschließt, endet das Zeitalter für alle Spieler – auch wenn die anderen mit ihren Zielen noch nicht fertig sind. Dieser Übergang in die nächste Ära bringt eine spannende Dynamik ins Spiel. An jedem Zeitalterende wählst du eine neue Zivilisation aus, die zu deiner aktuellen passt oder sich spontan eine Nische für kommende Herausforderungen sucht. Besonders reizvoll ist der neue strategische Dreh: Dein Weg in der Moderne könnte ganz anders aussehen als in der Antike. Von den Han zu den Mongolen? Kein Problem. Von den Hawaiiern zu den Franzosen, weil du fleißig Wein gehandelt hast? Auch das ist möglich.
Komplexität ist Fluch und Segen
So spannend die neuen Systeme auch sind, sie bringen auch eine Schattenseite mit: Komplexität. Ein gutes Beispiel ist das Religionssystem im Zeitalter der Entdeckung. Hier kannst du Missionare losschicken, um deine Glaubensrichtung weltweit zu verbreiten. Klingt erstmal nicht schlimm, oder? Doch tatsächlich mutiert das Ganze zu einer Art Mikromanagement-Drehorgie, bei der du unentwegt Einheiten bewegen, Gebiete sichern und Reaktionen abschätzen musst. Ähnlich verhält es sich mit dem Artefaktsystem der Moderne. Ganz in „Indiana Jones“-Manier kannst du Relikte aufspüren, bergen und in Museen ausstellen. Während diese Mechanik in der Theorie fantastisch klingt, fühlt es sich in der Praxis manchmal an wie ein Nebenspiel, das dich vom eigentlichen Gameplay ablenkt.
![Civilization 7: Screenshot](https://pixelcritics.com/wp-content/uploads/2025/02/Civ_7_Screenshot_4-1024x576.webp)
Der Versuch, mehr non-militärische Siegbedingungen anzubieten, ist lobenswert. Doch hier wird auch deutlich, wie schwer es ist, solche Mechaniken sinnvoll zu integrieren, ohne den Spieler zu überfordern. Du spielst gefühlt zwei, drei Spiele gleichzeitig – und nicht alle davon funktionieren perfekt. Trotzdem: Wer sich in diese Systeme hineinarbeitet, wird durchaus seine Freude haben.
Diplomatie als Perfektion: Das wahre Highlight
Trotz mancher sperriger Neuerungen gibt es einen Bereich, in dem Civilization 7 glänzt, und das ist die Diplomatie. Das überarbeitete System ist nichts weniger als ein Meisterwerk. Du kannst Einflusspunkte generieren und diese gezielt einsetzen, um Vorschläge zu machen, Allianzen zu formen oder Gegner zu manipulieren. Die Übersicht ist klar, und die Möglichkeiten reichen von subtilem Druck bis hin zu offenen diplomatischen Kämpfen. Dabei sorgt der Balance-Akt zwischen Zustimmung und Ablehnung dafür, dass du deine Strategie immer neu überdenken musst. Solltest du die Forderung eines Gegners unterstützen, um ihn bei Laune zu halten, oder lehnst du sie ab und riskierst Konflikte? Die Wahl liegt bei dir – und genau diese Freiheit sorgt für unglaublich spannende Momente.
Besonders Spielertypen, die lieber Allianzen schmieden als Kriege anzetteln, werden hier auf ihre Kosten kommen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, und die wirtschaftlichen sowie kulturellen Vorteile von Diplomatie sorgfältig herauszuarbeiten, macht richtig Spaß.
Historische Immersion oder kreative Freiheit?
Ein großes Thema in der Civilization-Reihe ist immer die Mischung aus historischen Fakten und spielerischer Freiheit. Auch Civilization 7 versucht, beides zu vereinen. Das zeigt sich zum Beispiel in den Legacy Paths, die sich an historische Entwicklungen anlehnen, oder an den neuen civics trees, welche kulturell spezifische Entscheidungen anbieten.
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Doch diese historische Tiefe hat auch ihre Grenzen, wenn du dabei zusiehst, wie die Mongolen plötzlich zur Demokratie mutieren oder die Hawaiier schnurstracks die Industrialisierung anführen. Es ist ein Balance-Akt, und Civilization 7 schlägt hier mal souverän, mal wackelig aus.
Technik und Präsentation: Evolution, keine Revolution
Grafisch ist Civilization 7 solide, auch wenn es sich nicht dramatisch vom Vorgänger, Civ 6, abhebt. Die Karten sind detailliert, die Animationen der Anführer charmant. Ein großer Pluspunkt ist die überarbeitete Benutzeroberfläche, die es leichter macht, den Überblick über dein Reich zu behalten – selbst wenn es gigantische Ausmaße erreicht. Neueinsteiger werden sich über das hervorragend gestaltete Tutorial freuen, das selbst die komplexeren Mechaniken einfach erklärt. Technisch läuft alles stabil, auch wenn lange Ladezeiten in späteren Spielphasen gelegentlich nerven können.